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Neue Verwaltungsvorschrift Sprachförderung

Das Kultusministerium hat die Verwaltungsvorschrift zur Sprachförderung überarbeitet. Den Entwurf hat die GEW kommentiert und mehr Ressourcen für die aufgeführten Aufgaben gefordert. Mit der gleichen Begründung lehnte bereits der Hauptpersonalrat GHWRGS die Verwaltungsvorschrift ab.

CCO, pixabay

Die GEW setzt sich dafür ein, Sprachförderung als Teil von Bildung und gesellschaftlicher Integration zu betrachten. In Baden-Württemberg werden Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache besonders gefördert. Die dazugehörige Verwaltungsvorschrift „Grundsätze zum Unterricht für Kinder und Jugendliche mit Sprachförderbedarf an allgemein bildenden und beruflichen Schulen“ (VwV Sprachförderung) wird zurzeit überarbeitet. Sie enthält neben Regelungen zur Aufnahme und Schulpflicht schwerpunktmäßig Fördermaßnahmen für den schulischen Bereich. Sie soll am 1. Februar 2017 in Kraft treten. Den Entwurf für die neue Vorschrift hat die GEW in einer Stellungnahme kommentiert und dem Kultusministerium kritische Punkt mitgeteilt. Der Hauptpersonalrat für Grund-, Haupt-, Werkreal-, Real-, Gemeinschaftsschulen und Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren (HPR GHWRGS) hat der Umsetzung der Verwaltungsvorschrift nicht zugestimmt. Der HPR begründet seine Ablehnung mit mangelnden Ressourcen. Den Lehrkräften und Schulleitungen würden neue Aufgaben zugewiesen, Zeit für die Arbeit mit den Schüler/innen und die Organisation der Vorbereitungsklassen bekämen sie aber nicht. Der HPR fordert das KM zu einer Ausweisung von Anrechnungsstunden für die anstehenden Aufgaben in der VwV auf.

Es ist aus GEW-Sicht unabdingbar, für die Konzeption der Sprachförderung an den Schulen verbindliche Standards zu entwickeln, Rahmenkonzepte zur Verfügung zu stellen und die notwendigen Mittel auszuweisen. Wenn Integration gelingen soll, können diese Aufgaben nicht der Zufälligkeit überlassen sein, sondern müssen bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. Die Kriterien würden auch Schulleitungen und Kolleg/innen unterstützen.

Zu wenig Ressourcen
Laut Kultusministerium sollen die „den Schulen nach dem Allgemeinen Entlastungskontingent (Stundenpool) zur Verfügung stehende Lehrerstunden (…) auch für Maßnahmen der Sprachförderung von Kindern und Jugendlichen mit nichtdeutscher Herkunftssprache und geringen Deutschkenntnissen verwendet werden.“ Die Schulen sollen trotz fehlender Zeit den „Freiraum vor Ort gestalten“, um Sprachförderung durchzuführen. Dagegen wehrt sich die GEW. Das Entlastungskontingent steht den Schulen zur Verfügung, um zusätzliche Aufgaben außerhalb des Unterrichts leisten zu können bzw. zum Ausgleich von Belastungen. Schon jetzt ist das Volumen des Entlastungskontingents nicht ausreichend. Für die in der VwV benannten Aufgaben sollte eine zusätzliche zeitliche Anrechnung gewährt werden. Die GEW fordert statt der im Entwurf ausgewiesenen Entlastungsstunde pro Klasse zwei Stunden. Der Aufwand für die Koordination und Organisation kann mit einer Stunde keinesfalls bewältigt werden. In der Verwaltungsvorschrift wird nach Meinung der GEW zu Recht darauf hingewiesen, dass die Zusammenarbeit mit den Eltern in diesem Bereich besonders wichtig ist. Deshalb ist es auch völlig inakzeptabel, dass die mit dieser intensiven Arbeit betrauten Lehrkräfte keine zusätzlichen Ressourcen erhalten und keine Aussage zum Einsatz und zur Finanzierung von Dolmetschern getroffen wird.

Muttersprache ist keine Fremdsprache?

Eine wesentliche Änderungen des Entwurfs im Vergleich zur vorgehenden Vorschrift sind die Regelungen zum muttersprachlichen Unterricht und zur zweiten Fremdsprache. Die GEW sieht in der Fremdsprachenregelung eine völlig unnötige Verschlechterung. Sie bildet eine enorme Hürde für Zuwander/innen, einen qualifizierten Schulabschluss zu erreichen.
Im Unterschied zu den bisherigen Regelungen kommen die Herkunftssprachen in den Abschlussprüfungen überhaupt nicht mehr zum Tragen: Die Möglichkeit für ältere Quereinsteiger/innen, in der Abschlussprüfung der Haupt- oder Realschule die Pflichtfremdsprache durch die Herkunftssprache in der Sonderfremdsprachenprüfung zu ersetzen, wird abgeschafft. Die vorgeschlagene Regelung verpflichtet alle Schülerinnen und Schüler der Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen auf das Fach Englisch, aber es gibt keine Ressourcen dafür, die Quereinsteiger/innen auf einen Kenntnisstand zu bringen, damit sie dem Unterricht folgen können, geschweige denn, die Abschlussprüfung zu bestehen.

Nicht schlüssig ist aus Sicht der GEW, dass an den Haupt- und Werkreal-, den Real- und Gemeinschaftsschulen die Herkunftssprache eine Pflichtfremdsprache nicht ersetzen kann, dies aber am Gymnasium möglich ist. In der jetzigen Form begünstigt die VwV Kinder und Jugendliche aus den Herkunftsländern Russland, Italien, Spanien, China, Portugal im Abitur, diskriminiert aber die große Gruppe der Kinder und Jugendlichen mit Türkisch als Familiensprache, da in Baden-Württemberg bislang Türkisch als Fremdsprache nicht angeboten wird. Diese Regelungen sind eine Abiturbremse für Kinder und Jugendliche türkischer Herkunft.

Die überarbeitete Verwaltungsvorschrift hält außerdem explizit daran fest, dass muttersprachlicher Unterricht von den Konsulaten erteilt werden kann. Die GEW fordert stattdessen einen muttersprachlichen Unterricht, der in die Schule integriert ist und in der Verantwortung des Landes liegt.

Dem in der VwV benannten Ziel, „an den Schulen sind die besondere Situation der mehrsprachig aufwachsenden Kinder und der noch zu unterstützende Sprachkompetenzerwerb zu würdigen“, folgen keine substanziellen Maßnahmen. Stattdessen widersprechen die geplante Fremdsprachenregelung und das Festhalten am herkunftssprachlichen Unterricht nach dem Konsulatsmodell einer Förderung der Mehrsprachigkeit.

Weitere Regelungen
Die Verwaltungsvorschrift betont, dass die Schulpflicht erst 6 Monate nach Zuzug aus dem Ausland beginnt. Die GEW setzt sich dafür ein, dass Flüchtlinge im schulpflichtigen Alter ihr Recht auf sofortigen Schulbesuch wahrnehmen können sollen.

Nach der Verwaltungsvorschrift können geflüchtete Schüler/innen theoretisch jede Schulart besuchen. Faktisch werden jedoch ca. 80 Prozent aller Schüler/innen in Vorbereitungsklassen an Werkrealschulen oder Gemeinschaftsschulen aufgenommen. Nach Ansicht der GEW darf dies nicht dazu führen, dass Geflüchtete weitgehend vom Zugang zum Gymnasium ausgeschlossen werden. Dies käme einer Diskriminierung gleich.

Die überarbeitete Verwaltungsvorschrift macht keine Angaben zur maximalen Schüleranzahl in Vorbereitungsklassen. Im aktuellen Organisationserlass ist für die Vorbereitungsklassen an allgemeinbildenden Schulen die maximale Gruppengröße auf 24 Schüler/innen, im Vorbereitungsjahr Arbeit und Beruf ohne Deutschkenntnisse (VABO) der beruflichen Schulen auf 18 festgelegt. Die GEW fordert für alle Schularten eine maximale Gruppengröße von 15 Schüler/innen.

Die Auswertung des Kultusministeriums zu den Übergängen im VABO 2015/16 haben deutlich gemacht, dass gut die Hälfte der Schüler/innen, die das VABO besuchen, nach einem Schuljahr noch nicht in der Lage ist, eine Berufsausbildung aufzunehmen. Knapp 10 Prozent haben nach einem Schuljahr das Sprachniveau B1 erreicht. Die GEW schlägt vor, das VABO als einen Einstiegskurs zur konzentrierten Sprachförderung auszurichten, um anschließend das VAB, das AV-dual oder eine weitere berufliche Vollzeitschulart mit integriertem Sprachförderkurs zu besuchen. Der Erwerb eines Hauptschulabschlusses muss im nachfolgenden Bildungsgang geleistet werden.

Die GEW spricht sich auch dafür aus, dass Jugendliche bis zum 20. Lebensjahr eine berufliche Schule besuchen dürfen. Durch den Bruch der Bildungsbiographie und weil viele Jugendliche mit der Flucht Jahre „verloren“ haben, sollten sie  für einen qualifizierten Abschluss auch älter sein dürfen.