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IQB-Bildungstrend 2016 - Viertklässler

Grundschule: Stiefkind der Bildungspolitik in Baden-Württemberg Erschreckende Konzepte der CDU – keine einzige Förderstunde geht an die Grundschule

„Die Grundschulen wurden in der Vergangenheit trotz schöner Sonntagsreden kontinuierlich abgehängt. Als einzige Schulart in Baden-Württemberg erhalten sie keine einzige Poolstunde für Förderunterricht, müssen die Lehrkräfte nur acht statt zehn Semester studieren und für den im Bundesvergleich besonders hohen Anteil von fachfremdem Unterricht gibt es keine Fortbildungsangebote. Aktuell wird durch den Lehrermangel die Situation weiter verschärft und der Landesregierung fällt nichts anderes ein als den Fremdsprachenunterricht zu kürzen und den Mangel zu verteilen“, sagte am Freitag (13.10.) in Stuttgart Doro Moritz, Landesvorsitzende der GEW.

Die GEW-Vorsitzende kritisiert die Reaktion der CDU auf die Studie und bewertet die Vorschläge der Grünen positiv. „Es ist erschreckend, welche Falschinformationen und pädagogisch unsinnigen Überlegungen aus der CDU-Fraktion kommen. Dass die Unterstützung der Grundschule darin bestehen soll, den Sachunterricht zu kürzen, um Unterricht zum Lesetraining zu nutzen, ist nicht zu fassen. Seit 2015/16 stehen den Grundschulen nicht acht zusätzliche Stunden für Deutsch und Mathematik zur Verfügung, sondern drei.

Sie gehen auf Entscheidungen der grün-roten Landesregierung zurück. Und selbst diesen Zuwachs macht die grün-schwarze Landesregierung jetzt mit der Streichung von vier Fremdsprachenstunden in den Klassen 1 und 2 wieder zunichte“, sagte Moritz.

Die Unterrichtsstunden für Fördermaßnahmen an den Grundschulen sind in den vergangenen zehn Jahren komplett verschwunden. Gleichzeitig ist in keinem anderen Bundesland der Anteil an Kindern, deren Eltern nicht Deutsch als Muttersprache haben, so stark gewachsen. Baden-Württemberg steht in der Lehrer-/Schüler-Relation auf dem letzten Platz der 16 Bundesländer und die Grundschulkinder hier haben weniger Unterricht als Kinder in anderen Bundesländern.

„Wer wie die CDU unterstellt, dass Grundschullehrkräfte nicht mehr ihre Lehrerrolle ausgefüllt hätten, wünscht sich offensichtlich Drill und Druck des vergangenen Jahrhunderts zurück. Die GEW weist jede Abwertung der Grundschullehrerinnen und -lehrer zurück. Es ist hervorragend, was sie unter diesen schlechten Bedingungen leisten“, sagte Moritz.

Die GEW-Chefin weist auch darauf hin, dass Forderungen des Hauptpersonalrats nach Fortbildung für fachfremd unterrichtende Grundschullehrer/innen in den letzten 15 Jahren immer abgelehnt wurden.

Fortbildungsangebote reichen nicht aus

„Die Kultusministerin macht sich unglaubwürdig, wenn sie sich auf das Thema Rechtschreibung in der Grundschule fokussiert, aber keine Kapazitäten in der Lehrerfortbildung anbietet“ sagte Moritz. Die Lehrerfortbildungsmittel wurden in den vergangenen Jahren gekürzt, für viele Fortbildungen gibt es mehr Bewerbungen. Zum Beispiel wurden für eine Grundschul-Fortbildung zum Thema „Rechtschreibstrategien“ im November 2017 nur 21 Teilnehmer/innen bei 52 Bewerber/innen zugelassen.

Schulleitung an der Grundschule ist nicht attraktiv: Nur 150 Euro mehr

Die GEW berichtet darüber, dass es immer schwieriger wird, Schulleitungsstellen an Grundschulen zu besetzen. „Das hat fatale Auswirkungen auf die Qualität, oft wird die pädagogische Weiterentwicklung einer Schule aus der Not heraus über Monate oder Jahre auf Eis gelegt.

Schulleitungen bekommen 150 Euro brutto monatlich für die Leitung der Grundschule. Das ist lächerlich. Grundschulen waren in der Vergangenheit immer das Stiefkind der Schulpolitik in unserem Land“, sagte Moritz.

Pflichtunterricht wird gekürzt

Die Entscheidung der grün-roten Landesregierung, die Kontingentstundentafel der Grundschule um vier Stunden für Deutsch und Mathematik auf 102 Stunden anzuheben, will die grün-schwarze Landesregierung komplett zurücknehmen. Mit der beabsichtigten Streichung der Fremdsprache in Klasse 1 und 2 fällt Baden-Württemberg wieder auf 98 Stunden im Pflichtunterricht zurück. Der Unterricht für alle Grundschüler/innen wird gekürzt, um für einen Teil von ihnen Fördermaßnahmen anbieten zu können. In allen weiterführenden Schularten einschließlich der Gymnasien wurden in den vergangenen Jahren die Poolstunden für Stütz- und Fördermaßnahmen deutlich ausgebaut. Die baden-württembergische Grundschule hat keine einzige, obwohl dort die Heterogenität in den Klassen am höchsten ist.

„In keiner anderen Schulart würde der Pflichtunterricht gekürzt, um Fördermaßnahmen zu finanzieren. Bis vor einigen Jahren gab es noch Förderstunden zum Beispiel für Kinder mit Lese-/Rechtschreibschwäche, die gestrichen wurden. Mit der aktuellen Kürzung der Stundentafel fällt unser Land wieder weit hinter erfolgreiche Bundesländer zurück. Wer die Qualität von Unterricht verbessern will, muss zunächst dafür sorgen, dass er stattfindet“, sagte Moritz.