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Interview mit der Kultusministerin

„Die GEW steht auf der Poleposition“

Ministerium und Gewerkschaft haben unterschiedliche Rollen, aber ein gemeinsames Ziel. ­Kultusministerin Theresa Schopper würdigt bei allen Gegensätzen in Details den Einsatz der GEW für die Bildungsgerechtigkeit. Aber sie schickt auch eine Warnung.

Kultusministerin Theresa Schopper
Kultusministerin Theresa Schopper im Interview mit der GEW im Sommer 2021. (Foto: Evi Maziol)

Frau Schopper, was fällt Ihnen spontan zur GEW ein?

Theresa Schopper: Ich komme ja ursprünglich aus Bayern. Dort spielt die GEW keine große Rolle. In Baden-Württemberg ist sie die mitgliederstärkste Vertretung von Lehrkräften. Dadurch, dass sie im DGB organisiert ist, hat sie einen gewerkschaftlichen Anspruch, den sie auch laut vertritt. Es ist ein Plus, dass sie nicht nur für eine Schulart kämpft, sondern aus allen Schularten Mitglieder hat. Das ist wichtig, weil die Schularten unterschiedliche Blickwinkel haben, wenn es um die Verteilung der Ressourcen geht. Die GEW ist eine starke Stimme.

Wo steht die GEW in der Hierarchie der bildungspolitischen Verbände?

Schopper: Sie steht auf der Poleposition. Der Gesamtanspruch, Lehrkräfte und Bildungspolitik im Auge zu haben, wirkt sich auf die politische Deutungshoheit aus. Der Philologen-, der Realschullehrer- oder der Gemeinschaftsschulverband sind auf ihre Schulart fokussiert. Bei der GEW ist die Gesamtverantwortung hoch angesiedelt.

Wie groß ist der Einfluss der GEW? Wackeln im Kultusministerium die Bilder an der Wand, wenn die GEW auf den Tisch haut?

Schopper: Nein. Die Wunschzettel sind überall lang, es ist viel zu tun und Bildungspolitik kostet immer viel Geld. Wir sind stolz und froh, dass jeder vierte Euro aus dem Landeshaushalt in Baden-Württemberg in den Bildungssektor geht. Die Forderungen der GEW sind für uns immer ein Stück weit auch Kompass.

Ist die GEW in den Etatverhandlungen eine Unterstützung für Sie?

Schopper: Dass wir die Durchzahlung der Sommerferien bekommen haben, ist auch ein Erfolg der GEW. Das war seit 15 Jahren ein Thema. Diesen Erfolg konnten wir jetzt gemeinsam feiern.

Das ist ein klassisches Thema für eine Gewerkschaft. Erfüllt die GEW ihren Anspruch, mehr als eine Interessenvertretung der Beschäftigten zu sein – nämlich eine Bildungsgewerkschaft?

Schopper: Natürlich hat die GEW – wie auch die anderen Verbände – die Qualität des Bildungssystems im Blick. Sie ist eine starke Stimme beim Thema Bildungsgerechtigkeit. Dass wir die sozialindex­basierte Ressourcensteuerung für Grundschulen schrittweise einführen, dass wir Gelder gezielt an Schulen geben, wo wir die größten Bedarfe haben und auch mehr Personal und multiprofessionelle Teams brauchen, das ist ein Punkt, der auch bei der GEW schon lange auf dem Zettel steht. Bildungsgerechtigkeit ist ein Grundsatz, der bei der GEW mit zur DNA gehört. Die GEW nimmt nicht hin, dass über die Bildungsbiografie entscheidet, wo man zufällig hineingeboren ist. Da sind wir uns einig. Den Kindern über den schulischen Bereich die Ressourcen mitzugeben, die sie zuhause nicht bekommen, ist eine gewaltige Aufgabe. Das geht nicht von Montag auf Dienstag. Da haben wir mit der GEW eine starke Stimme an unserer Seite.

Tut sich eine grüne Kultusministerin leichter mit der eher zur SPD und den Grünen tendierenden GEW oder ist das ein Handicap?

Schopper: Da wird zu viel rein interpretiert. Bei Andi Stoch (dem SPD-Kultusminister) war man sich sicher, die GEW sei auf seiner Seite, da habe man Ruhe. Habe man schwarze Kultusminister, sei die GEW mehr auf Krawall gebürstet und der Philologenverband angeblich sanft wie ein Vorlegeteppich. Dann war man gespannt, ob ich als Grüne nun alle gegen mich habe. Per se gibt es aber keinen Kredit je nach parteipolitischer Ecke. Ich habe mich sehr bemüht, mit allen Lehrerverbänden ein gutes Gesprächsklima zu bekommen. Bei der letzten Versammlung der GEW hatte ich den Eindruck, dass sie es schätzen, dass ich keiner Frage aus dem Weg gehe und eine sehr offene Einschätzung darüber gebe, was geht und was nicht. Ich habe mich sehr gut mit Doro Moritz verstanden und die neue Vorsitzende Monika Stein schätze ich genauso sehr, weil sie mit großem Herzblut für die Lehrkräfte kämpft.

Öffentliche Versammlungen sind das eine, wie läuft es hinter den Kulissen?

Schopper: Monika Stein und ich treffen uns regelmäßig. Auch mit Mitgliedern des erweiterten Vorstands führe ich Gespräche. Wenn die GEW anfragt, dann ermöglichen wir das, so gut es geht, wie bei anderen Verbänden auch. Die GEW kann sich also nicht beklagen, dass sie keine Zugänge hätte. Und wenn was ist, schreibt man sich eine SMS.

Der Lehrermangel ist das alles überlagernde Thema. Finden Sie die GEW da hilfreich?

Schopper: Wir haben natürlich unterschiedliche Standpunkte. Wir im Ministerium glauben zum Beispiel nicht, dass die Altersermäßigung, die die GEW gerne möchte, der Schlüssel zum Erfolg ist. Bei anderen Punkten sind wir uns näher. Die GEW wie die anderen Bildungsverbände sind sehr darauf bedacht, dass die Qualität des Lehrerberufs hochgehalten wird. Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Zugleich kann ich aber bei dem momentanen Lehrermangel nicht warten, bis wir lauter ausgebildete Zweifachlehrer haben. Auch die GEW weiß, dass wir Kompromisse machen müssen, indem wir Seiteneinstiege und Direkteinstiege ermöglichen. Sie geht da grundsätzlich auch mit und sieht, dass wir pragmatische Lösungen suchen.

Wo erwarten Sie, dass die GEW einlenkt?

Schopper: Das Ansehen des Berufs hat in der Öffentlichkeit einige Schrammen abgekriegt, da müssen wir vorsichtiger sein. Es stimmt ja, die Erziehungspartnerschaft in den Schulen hat sich geändert, die Eltern haben deutlich mehr Mitsprache. Die Arbeit ist schwieriger geworden, ich nenne nur die Heterogenität als Stichwort. Für den Lehrerberuf muss deshalb neu geworben werden mit Argumenten, die über die fraglosen Vorzüge – sicherer Arbeitsplatz, Beamtenstatus – hinausgehen. Wir müssen deutlich machen, dass das ein Beruf ist, der Kinder auf dem Weg ins Erwachsenenleben begleitet, der ihnen die Tür zum Wissen aufstößt, um sie zu mündigen Demokratinnen und Demokraten, zu Persönlichkeiten zu machen. Das ist eine sehr erfüllende Arbeit. Dieses Feeling, die Sinnhaftigkeit, die der Beruf bieten kann, müssen wir wieder mehr nach vorne stellen. Ich will die Argumente zur Überlastung gar nicht abtun. Wir müssen aber Obacht geben, dass nicht der Eindruck überhandnimmt, dass Lehrerinnen und Lehrer erst mal geteert und gefedert werden, ehe sie morgens in die Klasse gehen.

Ist eine Gewerkschaft nicht dafür da, die Bedingungen für ihre Mitglieder zu verbessern?

Schopper: Natürlich. Ich verstehe auch, dass Beamten gewisse Mittel anderer Gewerkschaften nicht zur Verfügung stehen; der Streik als Beispiel. Dann entsteht der Eindruck, es gibt nur noch den einen Weg über die Medien, um sich Gehör zu verschaffen. Im Bildungsbereich ist die Auseinandersetzung deshalb oft besonders laut und zum Teil stark im Schwarz-Weiß-Modus. Wir müssen aber aufpassen, dass das Bild dieses wundervollen Lehrerberufs nicht verrutscht. Ich will nicht sagen, dass es die GEW ist, die diese Tonlage zuspitzt, aber die positiven Seiten des Lehrerberufs kommen in der Auseinandersetzung stets ganz weit unten. Das hilft am Ende aber niemandem.

Macht es einen Unterschied, dass Lehrkräfte Beamte sind und dass der Staat kein Wirtschaftsunternehmen ist?

Schopper: Wir haben zwar die Prioritätensetzung im Haushalt für den Bildungsbereich. Aber wir werden nie alle Forderungen der Lehrerverbände befriedigen können. Als wir die Durchzahlung der Lehrkräfte während der Sommerferien beschlossen hatten, war die Tinte noch nicht trocken, da kam die Forderung nach der Durchzahlung der Referendare.

Meine Prioritäten für den nächsten Haushalt sind aber: Wie kann ich den Übergang Kita – Schule stärken? Wie kann ich die 40 Prozent der Kinder, die die Regelstandards nicht erreichen, mit weiteren Maßnahmen fördern? Wir müssen vermeiden, dass wir einen großen Anteil von funktionalen Analphabeten bekommen, die nicht die Fachkräfte werden können, die wir brauchen.

Hat sich die GEW schon als Bremser erwiesen?

Schopper: Nein. Sie hat ein offenes Ohr für Innovationen. Bei der Gründung der Gemeinschaftsschulen war sie ein Treiber, die Abschaffung der Grundschulempfehlung hat sie unterstützt. Bei den Umwälzungen, die Grün- Rot in Baden-Württemberg im Bildungssektor angestoßen hat, war die GEW eng an der Seite des Kultusministeriums.

Was würde Ihnen fehlen, wenn es keine GEW gäbe?

Schopper: Gute Gespräche mit Monika Stein. Die GEW ist unbestritten ein wichtiger Partner in der Bildungslandschaft und in der Lehrervertretung.

Das Gespräch führte Renate Allgöwer.

Kontakt
Maria Jeggle
Redakteurin b&w
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