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„Die Möglichkeit, meine Vorstellung von Schule einzubringen.“

Almuth Helm, Geschwister-Scholl-Realschule Mannheim, und Philipp Lochmüller, Gemeinschaftsschule Jettingen, sprechen über ihre Arbeit als Konrektor*in.

Das KM geht „von einer ständigen Aufgabenverteilung innerhalb der Schulleitung und einer entsprechenden Zuteilung von Anrechnungsstunden an die stellvertretenden S hulleitungen“ aus. Seit wann bist du Konrektorin, bzw. Konrektor und wie sieht dein Aufgabengebiet aus? 

Almuth Helm: Ich bin Konrektorin seit 2019, seit 2018 habe ich die Aufgabe kommissarisch übernommen und war viele Jahre im Schulleitungsteam tätig. Seit 2020 arbeiten wir in der Schulleitung in einem  Dreierteam aus Schulleitung und zwei Stellvertretungen, sowie mit einem erweiterten Leitungsteam aus dem Kollegium. Die größeren oder regelmäßigen Aufgaben haben wir im Dreierteam aufgeteilt, im pädagogischen Bereich bin ich z.B. für Inklusion und Berufsorientierung zuständig. Dabei geht es sowohl um die Umsetzung im Alltag als auch um die Entwicklung von Konzepten im Team mit den  Kolleg*innen. Außerdem fallen organisatorische Aufgaben wie Stundenplan und Vertretungsplanung, Statistik und das Schulverwaltungsprogramm in meinen Bereich. Aktuelle Themen und Aufgaben besprechen wir in regelmäßigen Sitzungen ein- bis zweimal pro Woche oder im Bedarfsfall kurzfristig und teilen sie gegebenenfalls untereinander auf.
 

Philipp Lochmüller: Ich bin seit 2017 Konrektor an der GMS Jettingen. Wir erstellen zu Beginn jedes Schuljahres im Schulleitungsteam einen Geschäftsverteilungsplan und vergeben dementsprechend die  Anrechnungsstunden. Dieser ist im digitalen Portfolio für das gesamte Kollegium einsehbar. Einige „klassische“ Aufgaben des Konrektors liegen bei mir, wie Organisation von Prüfungen und der Kompetenzanalyse Profil AC, der Genehmigung von Klassenfahrten etc. In unserem Kooperationszeitfenster bin ich im Wechsel mit meinem Schulleiter Vorsitzender bei Dienstbesprechungen, Stufen- und Klassenkonferenzen oder bei Arbeitsgruppen. Seit diesem Jahr bin ich nicht mehr allein für die Vertretungsplanung unserer gesamten Schule zuständig. Zwei Kolleginnen haben diese  Aufgabe nahezu komplett übernommen und ich unterstütze im Hintergrund. Ist mein Schulleiter krank, übernehme ich seine Aufgaben so, wie es das Zeitbudget zulässt. Der „ständige und allgemeine Vertreter“ eben.

Hat sich die Arbeit in den letzten Jahren verändert, inhaltlich und im Hinblick auf Belastungsfaktoren?

Almuth Helm: Kurz nachdem ich das Konrektorat übernommen hatte, hat natürlich die Pandemie die Aufgaben deutlich verändert. Im Vordergrund stand zunächst das Krisenmanagement und die Planung und  Organisation der sich immer wieder verändernden Unterrichtssituation. Mittlerweile ist vieles wieder im Normalbetrieb, es bleiben aber auch neue Aufgaben wie z.B. „Rückenwind“.Aber auch unabhängig von  den letzten beiden Jahren gibt es viele neue und  veränderte Aufgaben. Unsere Schule ist in den letzten Jahren stark gewachsen, sowohl was die Schüler*innenzahl als auch was das Kollegium angeht. Dadurch  hat sich die Organisationsstruktur und die Kommunikation stark verändert. Viele  Prozesse laufen mittlerweile digital ab. Absprachen per Mail und Messenger oder  auch über Videokonferenzen haben viele Vorteile, bedeuten aber auch Umstellungen und neue Herausforderungen. Schulentwicklung und Anpassung an die  sich immer weiter verändernden Bedingungen sind ein zentraler Bereich. Insgesamt sind die Aufgaben stärker miteinander verknüpft und komplexer geworden. Teamarbeit spielt eine deutlich größere Rolle. Veränderungen in den Bildungsplänen und im Schulsystem erfordern neue  Prozessabläufe. Dadurch, dass wir an der Realschule zwei Abschlüsse anbieten, müssen auch die Abläufe und Termine für beide Bildungsgänge und Prüfungen im Schuljahr eingeplant und kombiniert werden. Das Thema G-/M- Niveau ist sowohl organisatorisch als auch v. a. in der Schul- und Konzeptentwicklung immer noch eine große Aufgabe. Wir haben die  ersten Jahrgänge zum Abschluss geführt und können jetzt auf diesen Erfahrungen aufbauen. Inklusion und VKL-Klassen sind weitere Bereiche, die uns wichtig sind, die uns aber auch täglich vor neue Herausforderungen stellen.

Philipp Lochmüller: Die Corona-Zeit hat mich enorm beansprucht. Wir hatten pro Schuljahr über 15 Stundenplanänderungen, teilweise in gravierendem Ausmaß. Die ständig neuen Verordnungen und die  möglichst zeitnahe Umsetzung hat viel Kraft gekostet. Als belastend empfand ich es, meine Kolleginnen und Kollegen ständig mit diesen neuen Änderungen zu konfrontieren. Ein echter Belastungsfaktor, den  ich immer mehr wahrnehme, ist, dass sich  die Kolleg*innen vor Verantwortung wegducken aus Sorge falsch zu handeln. Es braucht immer häufiger jemanden der sagt: „Ich finde das gut! So machen wir es.“ Das betrifft manchmal ganz banale Dinge im Alltag, manchmal sind es schwerwiegendere Entscheidungen. Es hilft mir dann, das Wohl der Schüler*innen oder der Lehrkräfte in den Fokus zu rücken und danach zu entscheiden. Ich spüre oft, dass Kolleg*innen aufatmen, wenn ich sie in Ihrem Tun bestärke, besonders wenn formale Vorgaben unklar sind oder fehlen.

Warum hast du dich als Konrektor*in beworben, was waren deine Erwartungen – und haben die sich erfüllt? 

Almuth Helm: Für mich war schon früh klar, dass ich über den Unterricht hinaus Verantwortung übernehmen und Schule mitgestalten möchte. Sowohl im täglichen Geschäft als auch vor allem in der  Schulentwicklung. In meiner Funktion in der Schulleitung habe ich die Möglichkeit, meine Vorstellungen von Schule einzubringen und an den Prozessen des Schulalltags mitzuwirken. 

Philipp Lochmüller: An meiner früheren Schule konnte ich im Schulleitungsteam viele Erfahrungen sammeln. Vor allem, weil wir das System der GMS als Starterschule einführen durften. Diese Zeit, die voll von Schulentwicklung, Pionierarbeit, Vernetzung, politischer Diskussion und Verantwortung war, hat mich nachhaltig geprägt. 2017 war es dann soweit, dass ich mich gerne selbst aktiv und an verantwortlicher Stelle an einer Schule einbringen wollte. Dementsprechend waren meine Erwartungen an mich selbst. Erfüllt haben die sich nur teilweise. Recht schnell haben mich Alltag und im Rückblick lapidare Probleme eingeholt und gebunden. Trotz der vorherigen Erfahrung in einem Schulleitungsteam musste ich  mir grundlegende Basics erarbeiten, erfragen und autodidaktisch beibringen. Gut, dass ich da einen Schulleiter hatte, der sich irgendwie Zeitfenster freigeschaufelt hat, um mir Sachverhalte zu erklären. Das fing bei Schulverwaltungsprogrammen an und endete bei Fragen der Personalführung.  

Könntest du dir auch vorstellen, einmal eine Schulleitungsposition einzunehmen? 

Almuth Helm: Momentan passen Team und Schule sehr gut, aber grundsätzlich ist das auf jeden Fall etwas, was ich mir gut vorstellen kann.

Philipp Lochmüller: Ich glaube diese Frage hören wir Konrektor*innen sehr häufig. Derzeit kann ich sie eindeutig beantworten: Ich habe den für mich besten Job in der Schullandschaft. Ich kann Schule  mitgestalten, trage dabei Verantwortung und bin trotzdem noch einige Stunden in meiner Klasse. Dadurch kann ich echte Beziehungsarbeit mit den Schüler*innen betreiben. Dieses Gleichgewicht brauche 
ich weiterhin für meine eigene Arbeitszufriedenheit. Dass ich mich aber weiterentwickle und sich Prioritäten verschieben, ist normal. Vielleicht würde ich die Frage in einigen Jahren anders beantworten.

Lehrkräftemangel, Pandemie, Flüchtlinge – seit langem steht das System „Schule“ unter Stress. Wie geht ihr als Schulleitungsteam mit diesen Herausforderungen um? Und wieviel Mitsprache und Gestaltungsspielraum hast du als Konrektor*in? 

Almuth Helm: Herausforderungen sind ja immer auch eine Chance für Neuentwicklung. Das gelingt dann, wenn alle in der Schule gut zusammenarbeiten. Deshalb ist es uns wichtig, die erweiterte Schulleitung  und das Kollegium wo immer möglich mit einzubeziehen. Wir versuchen, Probleme lösungsorientiert anzugehen und eine möglichst große Transparenz zu schaffen. Klare Prozessabläufe können den Alltag entlasten, auch wenn Abläufe immer wieder geprüft und angepasst werden müssen.Wir verstehen uns in unserer Arbeit in der Schulleitung als gleichberechtigtesTeam. In unseren Bereichen arbeiten wir  weitgehend selbstverantwortlich, Entscheidungen werden gemeinsam diskutiert und getroffen. 

Philipp Lochmüller: Vor allem in Krankheitswellen spüren wir die schlechte Personalsituation gravierend. Dabei sind wir als Schule mit 54 Lehrkräften oft noch in der Lage, krankheitsbedingte Ausfälle zu kompensieren und die Last auf mehreren Schultern zu verteilen. Trotzdem schmerzt es mich, wenn wir als Ganztagesschule nicht mehr in der Lage sind, den Ganztag zu gewährleisten. Es ärgert mich zutiefst,  dass wir in der Vertretungsplanung oft gar keinen Unterricht mehr umplanen, sondern häufig nur noch Betreuung organisieren. Wir Vertretungsplaner sind untereinander gut abgestimmt, so dass wir eigenverantwortlich entscheiden, wie Vertretung gestaltet werden kann und wann Unterricht abgesagt werden muss. Gleichzeitig bin ich dann aber auch derjenige der MAU-Stunden anordnet und somit nicht  gerade „everbody‘s darling.“ Im fünfköpfigen Schulleitungsteam diskutieren wir immer wieder mögliche  Alternativen zu unserer bisherigen Rhythmisierung. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, wie wir weiterhin die Qualität unseres Unterrichts sichern können, bei weiterhin schlechter Unterrichtsversorgung. Da gibt es dann keine Scheuklappen und alles kann offen angesprochen werden. 

Welche Kompetenzen sind aus deiner Sicht besonders wichtig, um Leitungsfunktionen zu übernehmen? Gibt es dazu auch Fortbildungsangebote, die du wahrnehmen konntest? 

Almuth Helm: Neben dem Interesse an Gestaltung und Verantwortung sind sicherlich Geduld, Empathie und auch das richtige Maß an Gelassenheit gute Voraussetzungen. Schulleitung muss in der Lage sein, spontan zu reagieren und auch im turbulenten Alltag den Überblick behalten.

Philipp Lochmüller: Ich könnte nun die Kompetenzen aus meiner Einführungsveranstaltung „Neu im Amt“ aufzählen. Wichtig ist mir aber Authentizität, Entscheidungsfreude und Kompromissbereitschaft. Gerne  hätte ich mich mit meinen Kolleg*innen aus der Einführungsveranstaltung dazu weiter ausgetauscht. Wir haben mehrfach versucht eine Fortsetzung der Fortbildung genehmigt zu  bekommen, leider vergebens. Für mich wäre dieser Austausch mit anderen Konrektor*innen sehr gewinnbringend gewesen.

Abschließend: Fehlt dir noch etwas, was deine Arbeit als Konrektorin, bzw. Konrektor verbessern oder attraktiver machen würde?

Almuth Helm: Das Wichtigste ist meiner Meinung nach das Team und die Zusammenarbeit sowohl im Leitungsteam als auch im Kollegium und mit allen am Schulleben Beteiligten. Dafür würden wir uns oft  mehr Zeit wünschen. 
Philipp Lochmüller: Das sind eindeutig: Mehr Zeit und Abteilungsleiter*innen. Wir sind an unserer GMS ca. 580 Schüler*innen. Wäre unsere Primarstufe selbstständig, hätte sie eine*n eigene*n Rektor*in und Konrektor*in. Wir aber bilden - um der Fülle an Aufgaben gerecht zu werden – ein Schulleitungsteam, verteilen die anstehenden Aufgaben und versuchen mit Anrechnungsstunden, die Arbeit in  Ansätzen zu honorieren. Trotzdem ist die Aufgabenfülle oft kaum zu bewältigen. Es sind dann abendliche Telefonate zwischen meinem Schulleiter und mir, durch die wir uns gegenseitig auf dem Laufenden halten, Dinge vorbesprechen oder uns einfach mal die Seele frei reden.