Fachgespräch der GEW
Ganztag – aber richtig gut!
Lehrkräfte, Erzieher*innen und GEW-Vertreter*innen haben sich Ende November über den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz an Grundschulen im Land, die Anforderungen an einen guten Ganztag und die Positionierung der GEW ausgetauscht.
Die qualitätsvolle Umsetzung des Ganztags an Grundschulen ist in der Diskussion. Einerseits besteht Bedarf an guten Ganztagsangeboten, und die Nachfrage steigt. Andererseits fehlt es an Fachkräften, die den Dreiklang von Bildung, Erziehung und Betreuung gut umsetzen können. Was tun?
Was heißt „Rechtsanspruch auf eine ganztägige Förderung von Grundschulkindern“?
Der Rechtsanspruch gilt für Kinder, die ab 2026/2027 eingeschult werden und tritt stufenweise in Kraft. Bis 2029/2030 können letztlich die Eltern von 454.000 Grundschüler*innen einen Anspruch erheben. Die Kommunen sind für die Umsetzung verantwortlich und müssen eine Betreuung an fünf Tagen in der Woche und mit einer maximalen Schließzeit von vier Wochen im Jahr sichern.
Die Bundesregierung verfolgt mit dem Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG) das Ziel eines ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangebots. Einerseits dient der Anspruch also der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit auch der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Andererseits soll diese Betreuung qualitätsvoll sein und dem Kindeswohl entsprechen.
Was gibt es bisher in Baden-Württemberg?
In Baden-Württemberg gibt es eine ganze Reihe von Zeitmodellen an Grundschulen:
Halbtagsschule plus Betreuung | Ganztagsschule inklusive Betreuung* |
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*) Eine Mischung aus Formen der Landes- und kommunalen Bezuschussung
Knapp 17.000 Schulkinder besuchen hierzulande 401 Horte, rund 7.000 Schulkinder werden in altersgemischten Gruppen in Kitas betreut, bei denen die Mindeststandards nach KitaG gewährleistet sind. (Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 07/2022). Laut Fachkräfteradar Kita-Grundschule von 2022 nutzen rund 45 Prozent der Grundschulkinder in Baden-Württemberg Betreuungsangebote. In den östlichen Bundesländern sind es 86 Prozent.
Die gegenwärtigen Betreuungszeiten entsprechen allerdings nicht denen, die der Rechtsanspruch künftig vorgibt. Der Städtetag rechnet mit einem Anstieg der Nachfrage um zehn bis 20 Prozent und einer Ausweitung der Betreuungszeiten. Schon ohne die Umsetzung des GaFöG fehlen aber bis 2030 etwa 41.000 Fachkräfte in Kitas.
Lösungsversuche der Politik
Im November 2023 wurde das Schulgesetz geändert. Die Dauer des Ganztags an Grundschulen wurde um ein weiteres Modell ergänzt: Fünf Tage mit einer Dauer von sieben oder acht Stunden sind künftig möglich. Mit diesem Modell wäre der Anspruch des GaFöG erfüllt.
Bei neuen Anträgen auf einen Ganztagsbetrieb muss die Schulkonferenz künftig nur noch gehört werden, der Schulträger kann also jetzt alleine über die Einrichtung entscheiden. Die Beschneidung der Rechte der Schulkonferenz sind dabei ebenso problematisch wie die nach wie vor fehlenden Qualitätsstandards für die Betreuung.
Was eine gelingende Ganztagsschule braucht
Für die GEW ist klar, dass eine gute Ganztagsschule ein pädagogisches Konzept braucht, das alle miteinbezieht, die in der Ganztagsschule arbeiten. Angesichts des Fachkräftemangels und der Zunahme von Quereinsteiger*innen ist ein Fachkraft-Kind-Schlüssel unabdingbar.
Wichtig wären Mindeststandards analog zu den Hortstandards. Genügend Raum- und Außenflächen, Kooperationszeiten für multiprofessionelle Teams und Arbeitsplätze für die Lehrkräfte und das pädagogische Personal gemäß Arbeitsstättenverordnung und eine maximale Gruppengröße von 20 Kindern sind ebenfalls wichtige Punkte.
Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so ...
Unter dem Damoklesschwert eines noch viele Jahre andauernden Fachkräftemangels wird es schwer, eine qualitätsvolle Betreuung und eine gute Ganztagsgrundschule, sei es in Wahlform oder gebunden, umzusetzen. Schon heute ist ein Ganztagsbetrieb von den Kolleg*innen an den Schulen kaum zu stemmen. „Qualität ja – aber nicht um jeden Preis!“ könnte man die aktuelle Sicht auf den Ganztag an vielen Schulen zusammenfassen. Durch die unterschiedlichen Systemlogiken und Arbeitgeber-Zuständigkeiten von Jugendhilfe und Schule entsteht Kooperationsbedarf, der wiederum Zeit erfordert. Organisatorische Herausforderungen müssen gelöst werden. Ein Beispiel ist der unterschiedliche Personalschlüssel von Ganztagsschule (1:25) und Hort (1:10). Hinzu kommen Absprachen mit der Kommune, die für die Betreuung zuständig ist. Bei all dem sind besonders die Schulleitungen gefordert.
Der Arbeitskreis Ganztag der GEW Baden-Württemberg wird sich in den nächsten Wochen intensiv damit beschäftigen, wie Ganztagsschule und Ganztagsbetreuung unter der Bedingung des Fachkräftemangels bestmöglich gelingen kann. Dabei werden wir auch mit den kommunalen Spitzenverbänden das Gespräch suchen.