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Glosse: Deutschpflicht auf dem Pausenhof

Was hat Deutschpflicht mit Gift zu tun? Frank Orthen (GEW-Personengruppe Schulleitungsmitglieder) klärt auf.

Einleitung:
„Ist Gift, dessen Verfallsdatum abgelaufen ist, giftiger als vor dem Ablaufen oder verliert es eher an Giftigkeit?“ Mit dieser Frage konfrontiert mich meine Schulaufsichtsbeamtin und bringt mich zum Nachdenken. Verdammt gute Frage, muss ich gestehen. Hat zwar nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun, regt aber ebenso wie dieses zum Nachdenken an. Da geht es nämlich um die Vorstellungen des Generalsekretärs einer Partei – auf den Schulhöfen in Deutschland muss Deutsch gesprochen werden! Ja hoppla, dass dem in der Realität nicht so ist, dürfte allen, die in einer Schule tätig sind, klar sein.

Kleiner Einschub:
Niemand wird ernsthaft in Zweifel ziehen, dass es für das Fortkommen eines Kindes, Jugendlichen, Erwachsenen, Greises vorteilhaft ist, wenn dieser Mensch die Sprache des Landes beherrscht, in dem er lebt. Und ja, ich halte es für richtig, wenn bei Gesprächen niemand außen vor bleibt oder ausgeschlossen wird, weil er oder sie einer Sprache nicht mächtig ist.

Schwupps, zurück zum Thema!
Auf deutschen Schulhöfen muss Deutsch gesprochen werden und weil es doch tatsächlich Kinder gibt, die dies nicht können, bleibt nur eine Lösung: Diese Kinder und Jugendlichen haben in der deutschen  Schule nichts verloren. Bevor ein Kind/ein*e Jugendliche*r die deutsche Schule besuchen darf, muss er/sie/es ausreichende Deutschkenntnisse besitzen, ansonsten muss das Kind oder der/die Jugendliche verpflichtend eine Kita oder eine Vorschule mit Sprachunterricht besuchen. Nix Deutschkenntnis, nix Schule! (Ich konnte es mir nicht verkneifen) Lehrkräfte, Schulleitungen und Sozialarbeiter*innen 
müssen das kontrollieren! Das sind die Vorstellungen jenes Generalsekretärs. 

Spinnen wir die Sache weiter!
Das Kultusministerium wacht auf und beauftragt das ZSL, eine internationale (Pardon, international ist gestrichen, die Sprachkenntnisse, Sie wissen) Expert*innenkommission einzuberufen, welche den Sprachpolizeirahmen für das Land entwickelt. Schwerpunkte: Verdeckte Ermittlung, Abhören Stufe 1–3, Unterscheidung Jugendlaut-Fremdlaut-Dialektlaut-Vorlaut, Anwendung des § 90 a SchG (Verstoß gegen die Verwendung der deutschen Sprache auf dem deutschen Schulhof) etc. Ruckzuck wird der kooperative Studiengang Sprachpolizei an den Pädagogischen und Polizeihochschulen des Landes eingericht.  Außerdem werden endlich nach bestandenem Sprachtest die Horden von Lehrkräften eingestellt, die im Zuge der The-Länd-Kampagne einwandern, um hier nicht nur die Unterrichtsversorgung des Pflichtbereichs zu ermöglichen, sondern auch an Grundschulen einen verbindlichen Differenzierungspool bereitzustellen und qualifizierten Sprachunterricht für Migrant*innen in allen Schularten in ausreichendem Maß anzubieten. Kita-Erzieher*innen zuhauf materialisieren sich aus dem Nichts und Sprachlehrkräfte an Bildungseinrichtungen für Erwachsene erhalten Bezahlung nach Tarif. Endlich ist es soweit, nachdem die Debatte alle paar Jahre wieder hochkocht. Moment, alle Jahre wieder? Oh ja, die allwissende Suchmaschine leitet uns bei der Eingabe von „Deutschpflicht Schulhof“ in viele, viele Jahre. 

Damit kommen wir doch irgendwie zu einer Ausgangsproblematik:
Bei aller Notwendigkeit an Sprachkenntnis, bei aller Wichtigkeit dessen, bei aller Furcht vor Parallelgesellschaften von Menschen, die sich in einer Mehrheitsgesellschaft nicht zurechtfinden, Lösungen sind Lösungen und Gift ist Gift. Auf einer Packung handelsüblichen Gifts (Kamillentee) habe ich folgenden Hinweis gefunden: „Best before“ Lassen wir Lösungsversuche der Vergangenheit, deren Verfallsdaten längst abgelaufen sind, am besten in der Vergangenheit und gehen die Probleme endlich nachhaltig an!