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Lehrerstellen: Landesregierung einigt sich auf faulen Kompromiss

Die Landesregierung hat öffentlich über die Streichung von Lehrerstellen gestritten. Auf den ersten Blick hat die Kultusministerin einen Erfolg erzielt. Auf den zweiten Blick wird sich die Unterrichtsversorgung im kommenden Schuljahr verschlechtern.

Derzeit wird der Landeshaushalt für 2017 aufgestellt. Die Verhandlungen von Kultusministerin Susanne Eisenmann mit Finanzministerin Edith Sitzmann über den Kultusetat 2017 waren am 17. Oktober zunächst abgeschlossen. Zufrieden war die Kultusministerin mit dem Ergebnis überhaupt nicht. Eisenmann trug ihren Unmut in die Öffentlichkeit und drohte: Der Ausbau der Ganztagsschulen und der Inklusion und die Einführung des Aufbaukurs Informatik werde gestoppt, da die dafür notwendigen 500 Lehrerstellen nicht bewilligt wurden. Daraufhin wurde nachverhandelt. Mit dem Ergebnis zeigten sich Finanzministerin Sitzmann und auch Kultusministerin Eisenmann zufrieden. Aus Sicht der GEW, wurde jedoch wenig erreicht.

Nachverhandlung der Kultusministerin bringt keine einzige zusätzliche Stelle

Der Haushaltsausschuss hatte Mitte Oktober für zwei Bereiche zusätzliche Stellen bewilligt: 320 neue Stellen waren für die Grundschulen im Schuljahr 2017/18 vorgesehen. Damit sollte die mit dem neuen Bildungsplan vorgesehene Erweiterung der Kontingentstundentafel in den Klassen 3 und 4 um zwei Stunden für Deutsch und Mathematik umgesetzt werden. (320 Stellen für zwei Stunden in den Klassen 1 und 2 für das laufende Schuljahr hatte der Landtag schon im Juli beschlossen.) 257,5 neue Stellen bekommen die Realschulen. Das ergibt 577,5 neue Stellen.

Das Ergebnis nach den Nachverhandlungen beinhaltet für 2017 unverändert 577,5 neue und die Streichung von 1.074 Stellen. Im Schuljahr 2017/18 stehen den Schulen damit 496,5 Lehrerstellen weniger zur Verfügung als im laufenden Schuljahr.

Nach dem öffentlichen Protest der Kultusministerin wurden zwischen Sitzmann und Eisenmann keine zusätzlichen Stellen, sondern lediglich ein veränderter Einsatz der Lehrerstellen vereinbart: Die Grundschulen bekommen 2017 statt 320 nur 160 Stellen. Die anderen 160 Stellen werden für Inklusion verwendet. 60 Stellen für den Aufbaukurs Informatik in Klasse 7 kommen aus Mitteln der Frühen Bildung. 100 Stellen für den Ganztag werden aus dem Jugendbegleiter-Programm finanziert.

Was heißt das: Unter Ministerpräsident Oettinger hat die damalige Landesregierung entschieden, dass für das Jugendbegleiter-Programm und für das Programm Schulreifes Kind Lehrerstellen monetarisiert werden. Die Stellen werden zu Geld gemacht, um damit andere Maßnahmen zu finanzieren. Die Stellen sind dann nicht mehr mit Lehrkräften besetzt. Die mögliche Stellenzahl (im Jugendbegleiter-Programm bis zu 800 Lehrerstellen und beim Programm „Schulreifes Kind“ bis zu 900 Lehrerstellen) ist noch nicht ausgeschöpft. Kultusministerin Eisenmann kann jetzt für ein Schuljahr 100 Lehrerstellen verwenden, um Ganztagsschulen Lehrerstunden zuzuweisen. Die Umschichtung bedeutet, dass sich an anderer Stelle die Unterrichtsversorgung verschlechtert.

Das Einzige, was Kultusministerin Eisenmann für ein Jahr zusätzlich bekommt, sind einmalige Mittel für befristete Maßnahmen im Umfang von neun Millionen. Sie sollen die umgeschichteten Lehrerstellen ausgleichen. Neun Millionen Euro sind der Gegenwert von 160 Deputaten für das Schuljahr 2017/18.

2017 sollen weiterhin Stellen gestrichen werden

1.074 Lehrerstellen werden 2017 gestrichen. Die Zahl setzt sich zusammen aus 633 und 441. Grundlage für die Streichung von 633 Stellen ist der Staatshaushaltsplan 2015/16. Den Streichplänen liegt die Schülerzahlenprognose von 2014 zugrunde, obwohl Ministerpräsident Kretschmann damals zugesagt hatte, dass künftig jährlich neu auf der Grundlage der aktuellen Schülerzahlen entschieden werde. Derzeit steigen die Schülerzahlen.

Das Kultusministerium muss weitere 441 Stellen abgeben. Sie wurden im Jahr 2014 rechnerisch durch die Verschiebung der Altersgrenzen für die Altersermäßigung frei. Der damalige Kultusminister Andreas Stoch (SPD) konnte die Streichung dieser 441 Stellen verhindern, sie verbesserten die Unterrichtsversorgung. Genau diese Stellen muss Eisenmann jetzt abliefern. Die Behauptung, das wirke sich nicht auf die Unterrichtsversorgung aus, ist falsch. Wenn am Ende des Schuljahres 2016/17 441 Lehrerstellen gestrichen werden, dann fehlen diese 441 Stellen.

Was auf der Strecke bleibt

Grün-Rot hatte für 2017 60 Deputate für den Ausbau der Kooperation Grundschule/Kita zur Finanzierung einer weiteren Anrechnungsstunde vorgesehen. Davon ist überhaupt nicht mehr die Rede. Die Landesregierung setzt die eigenen Ziele aufs Spiel: Sie hat 1,8 Millionen Euro für die Bildungshäuser beschlossen. Ohne die 60 Stellen kann dieses Geld nicht wirksam werden, da keine Ressourcen für die Umsetzung der Kooperation zwischen Kitas und Grundschule enthalten sind.

Ein anderes wichtiges Vorhaben der Landesregierung fällt auch unter den Tisch: In den Nebenabreden zum Koalitionsvertrag war die Einführung des Ethik-Unterrichts in Klasse 7 im Schuljahr 2017/18 mit 60 Deputaten (3,8 Millionen) geplant. Dafür sind keine Stellen vorgesehen.

Kultusministerin Eisenmann hatte zusätzlich zu den 360 Stellen für die Grundschulen und den 257,5 Stellen für die Realschulen ursprünglich einen Bedarf von weiteren 500 Stellen angemeldet. Jetzt will bzw. muss sie mit 320 Stellen auskommen: 160 für Inklusion, 100 für Ganztagsschulen und 60 für den Aufbaukurs Informatik. Für den Aufbaukurs Informatik waren ursprünglich 150 Deputate notwendig, jetzt sollen 60 reichen. Und die Unterrichtsversorgung wird sich durch die Streichung von 1.074 Lehrerstellen weiter verschlechtern.

Wie geht es nach 2017 weiter?

Mit diesen Entscheidungen wird für das Schuljahr 2017/18 ein Flickenteppich geknüpft. Und dann? Schon jetzt ist klar, dass zahlreiche neue Stellen finanziert werden müssen: 160 Stellen für die letzte Stufe der Erhöhung der Stundentafel in der Grundschule; 160 Stellen für den stufenweisen Aufbau der Inklusion; Fortsetzung der 2017 aus Mitteln finanzierten 160 Stellen für die Ganztagesschulen und den Aufbaukurs Informatik, weitere Stellen für den Ausbau der Ganztagesschulen und die Fortführung des Fachs Informatik. Und laut Abbauplan will die Landesregierung 2018 weitere 440 Lehrerstellen streichen.