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Vorbereitungsdienst unter Pandemiebedingungen

Mehr Unterstützung für junge Lehrer*innen

Junge Lehrer*innen, die den Vorbereitungsdienst unter Pandemiebedingen absolviert haben, mussten eine schwierige Situation bewältigen. Eine Studie beschreibt die spezifischen Belastungen in der zweiten Phase und Möglichkeiten, sie zu unterstützen.

Eine junge Frau sitzt mit geschlossenen Augen an einem Schreibtisch und lehnt sich in ihrem Stuhl zurück.
Der Vorbereitungsdienst unter Pandemiebedingungen ist eine noch größere Herausforderung. (Foto: © imago)

Als in Baden-Württemberg im Januar und Februar 2020 der Vorbereitungsdienst für etwa 4.000 Lehramtsanwärter*innen und Referendar*innen begann, gingen alle Beteiligten davon aus, dass ein „ganz normaler“ Durchlauf erfolgen würde. Tatsächlich wurden bereits wenige Wochen später nicht nur die Schulen, sondern auch die Seminare und die Lehramtsanwärter*innen von den Schulschließungen aufgrund der Corona-Pandemie überrascht.

Zwar konnte einige Wochen später wieder Präsenzunterricht stattfinden, jedoch war dieser beispielsweise durch den Wechselunterricht oder die bis über den Sommer 2021 hinaus andauernden Beschränkungen kaum mit einem „normalen“ Unterricht vergleichbar, der eigentlich im Vorbereitungsdienst von Lehramtsanwärter*innen erlebt und geübt werden sollte. Auch in den Ausbildungsseminaren war von einem „Normalbetrieb“ nicht zu sprechen. Große Teile der Seminarveranstaltungen, beratende Unterrichtsbesuche und Prüfungsleistungen wurden in Online-Formaten durchgeführt. Außerdem wurden alle Lehramtsanwärter*innen automatisch, sprich teilweise ohne beratende Unterrichtsbesuche, in den eigenständigen Unterricht nach den Sommerferien geschickt.

Die Studie

Wie erging es den Lehramtsanwärter*innen in diesem Ausnahmezustand? Wie gut fühlten sie sich in der zweiten Phase ihrer Lehrer*innenausbildung für den „normalen“ Unterrichtsalltag gewappnet? Um darauf Antworten zu finden, führten Susanne Kreutz und Sebastian Röhl von der Pädagogischen Hochschule Freiburg im Frühjahr 2021 während des zweiten Lockdowns eine Studie durch.

Hierzu wurden Lehramtsanwärter*innen über den GEW-Referendar*innen-Newsletter Baden-Württemberg sowie einige Seminare zur Teilnahme an einer Online-Umfrage eingeladen. Insgesamt nahmen daran 242 Personen teil, wovon 37,6 Prozent den Vorbereitungsdienst an einer Grundschule, 24,4 Prozent in der Sekundarstufe I (HS/WRS/RS/GMS), 22,6 Prozent am Gymnasium und 15,5 Prozent der Teilnehmenden an einer anderen Schulart (SBBZ/Berufliche Schulen) absolvierten.

Erster Ausbildungsabschnitt

Die Lehramtsanwärter*innen waren auf den ersten Lockdown im März 2020 mit den Schulschließungen genauso wenig vorbereitet wie alle schulischen Akteure. Mehr als 40 Prozent der Befragten gaben an, bis zu diesem Zeitpunkt keine eigenständigen Unterrichtsstunden durchgeführt zu haben. Und nur etwa 17 Prozent hatten das Gefühl, ausreichend hospitiert zu haben. So schilderte eine Lehramtsanwärterin: „Wir konnten etwa drei Wochen hospitieren und haben einzelne Stunden (circa vier) gehalten, bevor der Lockdown kam. Nach dem Lockdown wurde erwartet, dass wir zehn bis zwölf Stunden pro Woche eigenständigen Unterricht halten, zusätzlich zum ersten Unterrichtsbesuch. Das war eine sehr belastende Situation, da benötigte Kompetenzen zum regelmäßigen Halten von Unterricht nicht erworben werden konnten.“

Besonders im virtuellen Unterricht gab es kaum Hospitationsmöglichkeiten für die Lehramtsanwärter*innen. Das ist um so bedauerlicher, da im zweiten Lockdown von vielen Lehramtsanwärter*innen erwartet wurde, Fernlernunterricht und Online-Angebote durchzuführen. Darüber hinaus wurde durch den Wechselunterricht und die Notbetreuung ein zusätzliches Aufgabenfeld für die Lehramtsanwärter*innen eröffnet, das so nicht in der Prüfungsordnung verankert ist. Dieser Einsatz führte bei einigen Befragten zu erheblicher Belastung, bis hin zu einem, wie es ein*e Lehramtsanwärter*in formulierte, „teilweise doppelten Deputat“. Weiterhin fehlten im gesamten ersten Ausbildungsabschnitt auch Gelegenheiten an außerunterrichtlichen Veranstaltungen teilzunehmen und bei Elterngesprächen anwesend zu sein, was häufig zu einer großen Verunsicherung im zweiten Ausbildungsabschnitt führte.

Zweiter Ausbildungsabschnitt

Im zweiten Ausbildungsabschnitt, beginnend im September 2020, gaben viele Befragten an, dass die besonderen Regelungen und Anforderungen sie im Vergleich zum „normalen“ Vorbereitungsdienst wesentlich mehr herausgefordert haben. So schätzten mehr als zwei Drittel der Lehramtsanwärter*innen den Stress durch die Pandemiebedingungen als höher ein. Besonders stark wurde dies für die Überwachung der Einhaltung der Hygienevorschriften und für die Durchführung des Fernunterrichts wahrgenommen. „Keinen Hybridunterricht! Wir landen doch alle im Burnout ... die Hälfte der Klassen präsent am Vormittag unterrichten, danach für die andere Hälfte online da sein. Doppelte Vorbereitung, vierfacher Stress, keine Wochenenden mehr“, fasste das ein*e Befragte*r zusammen. Auch der fehlende Austausch mit anderen Lehramtsanwärter*innen wurde als belastend empfunden. Als Verbesserung schlugen einige Befragte die Einrichtung einer digitalen Austauschplattform durch die Seminare vor.

Die virtuellen Unterrichtsbesuche und alternativen Prüfungsformen (anstelle regulärer Lehrproben) wurden als sehr unterschiedlich belastend wahrgenommen. So schätzten ein Drittel die virtuellen Formen als größere Belastung ein, während ein anderes Drittel sich hierdurch geringer gestresst fühlte. Dies traf im besonderen Maße für die Befragten aus Schulen der Sekundarstufe I zu. Als zusätzlicher psychischer Belastungsfaktor kam für die Lehramtsanwärter*innen Befürchtungen vor einer COVID-19-Infektion hinzu. So gaben über die Hälfte der Befragten an, dass sie Angst davor hätten, sich selbst oder unwissentlich andere Personen zu infizieren.

Auffällig war zudem, dass viele Lehramtsanwärter*innen von häufigen Stresssymptomen berichteten. So gaben jeweils etwa die Hälfte der Befragten an, unter Kopfschmerzen, Lustlosigkeit sowie Schlaf- und Konzentrationsproblemen zu leiden. Etwa ein Drittel schilderte zudem häufige Bauchschmerzen und Traurigkeitsgefühle. Drei Viertel berichteten darüber hinaus, wiederholt über das „eigene Leben nachzugrübeln“. Zwar fehlen zu diesen Stresssymptomen Vergleichswerte zum Vorbereitungsdienst unter „normalen“ Bedingungen, doch die starke Verbreitung dieser Symptome weist auf eine erschreckend hohe Stressbelastung der Befragten hin. Positiv zeigte sich jedoch, dass sich sowohl die Stresssymptome als auch das Belastungserleben signifikant verringerten, wenn die Lehramtsanwärter*innen Unterstützung von Mentor*innen, von den Lehrbeauftragten oder der Schulleitung erhielten.

Zusammenfassend stellte der Vorbereitungsdienst unter Pandemiebedingungen eine noch größere Herausforderung dar, als er es unter „normalen“ Schulbedingungen bereits ist. Besonders erschreckend ist der Befund, dass mehr als 40 Prozent der Befragten angab, sich nicht ausreichend für die Tätigkeit als Lehrkraft vorbereitet zu fühlen. Eine systematische und passgenaue Unterstützung dieses besonderen Ausbildungsjahrgangs während der Berufseinstiegsphase durch das Land fand bisher nicht statt. So bleibt zu hoffen, dass der dringende Wunsch einer Lehramtsanwärter*in erfüllt wird: „Nicht vergessen zu werden. So haben wir uns im Frühjahr gefühlt.“

Kontakt
Johanna Schreiber
Referentin MitgliederEntwicklung
Telefon:  0711 21030-22