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Qualität gibt’s nicht umsonst

Im Kultusministerium wird derzeit ein neues Qualitätskonzept für das Schulsystem in Baden-Württemberg erarbeitet. Die Fremdevaluation wurde bereits ausgesetzt und der größte Teil der Evaluatoren zurück in Schulen geschickt.

Zentrale Zielsetzung des neues Konzepts ist eine „evidenz- basierte Qualitätsentwicklung“. Qualität und die Wirkung von bildungspolitischen Maßnahmen sollen zukünftig auf der Basis von Zahlen und Daten, insbesondere von Schülerleistungen, evaluiert werden. Dazu hat das KM begonnen, eine Datenbank („Führungsinformationssystem“ - FIS) aufzubauen.

Kernstück der Pläne ist der Umbau der Schulverwaltung: Das Landesinstitut für Schulentwicklung (LS) verliert seine rechtliche Eigenständigkeit und wird in ein „Institut für Bildungsanalysen“, das Teil der Schulverwaltung sein wird, umgewandelt. Daneben wird ein „Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung“ geschaffen, in dem die gesamten Fortbildungsaktivitäten zentralisiert werden sollen. Teile der Regierungspräsidien und der Staatlichen Schulämter sollen herausgelöst und in dieses Zentrum integriert werden, genauso wie die Landesakademien.

Qualität entsteht nicht in der Schulverwaltung

Das KM hat vor ca. 10 Jahren mit dem Konzept der Operativ Eigenständigen Schule (OES) ein Qualitätssicherungssystem an den Beruflichen Schulen eingeführt. Grundgedanke war, dass die Erstverantwortung für Qualität bei der Schule liegt. Die Einzelschule hat auf pädagogischer Ebene ein höheres Maß an Selbstständigkeit erhalten, um Schul- und Unterrichtsentwicklung zu betreiben und um ein eigenes Qualitätsmanagement zu entwickeln. Darauf baut die Fremdevaluation auf, die nicht innerhalb der Schulhierarchie von der Schulverwaltung, sondern von einer eigenständigen Institution, dem LS, durchgeführt wird. Die neue Qualitätsdiskussion stellt demgegenüber einen Paradigmenwechsel dar.

Nun kann man das bisherige System von OES und Fremdevaluation sicher kritisch hinterfragen, man kann es auch insgesamt in Frage stellen. Genau dies passiert jedoch nicht. Das KM vollzieht jetzt einen harten Schnitt gemäß dem Motto: Wenn Baden-Württemberg in den IQB-Studien nicht mehr an der Spitze steht, dann kann das System nicht gut sein. Eine ernsthafte Problemanalyse unterbleibt.

Ansatzpunkt ist jetzt der Umbau der Schulverwaltung, die deutlich gestärkt und z.T. auch zentralisiert werden soll. Die pädagogische Eigenständigkeit der Einzelschule soll letztlich deutlich eingeschränkt werden durch ein hohes Maß an Verbindlichkeit und Standardisierung, gepaart mit einem System von „Qualitätskontrolle“ und einer Form der „Schulinspektion“ anstelle von Evaluation.

Ob dadurch die Qualität von Schule und Unterricht bzw. die Schülerleistungen besser werden, muss mit mehr als einem Fragezeichen versehen werden. Unterrichtsqualität entsteht nicht durch den Umbau der Schulverwaltung, sondern dort, wo tatsächlich Unterrichts stattfindet: an der Schule.

Auch Daten und Zahlen sind für eine Analyse unzweifelhaft wichtig – sie müssen allerdings interpretiert werden und es müssen v.a. Konsequenzen gezogen werden. Entscheidend wird am Ende sein, was an den Schulen und bei den Lehrkräften ankommt. Hier ist bislang kein Konzept erkennbar.

Sparmaßnahmen verbessern nicht den Unterricht

Wer qualitativ hochwertigen Unterricht von Lehrkräften will, der muss zunächst einmal dafür sorgen, dass die Schulen des Landes auskömmlich mit Ressourcen versorgt werden

Dazu nur wenige Beispiele:

  • Im Bereich der dualen Ausbildung beträgt das Unterrichtsdefizit immer noch 5,7 Prozent.  Auch der Hinweis auf die fehlenden Lehrkräfte ändert nichts an der Tatsache, dass ca. 270 Stellen fehlen. Viele Lehrkräfte leisten Mehrarbeitsunterricht, um Versorgungslücken zu schließen. Lehrkräfte, die Mehrarbeit leisten, werden jedoch kaum Unterrichtsentwicklung betreiben können.
  • Lehrkräftefortbildung ist zweifellos ein zentrales Element der Qualitätsverbesserung. Die Mittel für regionale LFB an Beruflichen Schulen sind aber von ca. 900.000 Euro im Jahr 2002 auf ca. 250.000 Euro 2017 zurückgefahren worden.
  • Das außergewöhnliche Wachstum der Zahl der Geflüchteten 2015 hat v.a. eines offenbart: Baden- Württemberg hatte faktisch keine Infrastruktur für Sprachförderung. Die Schulen brauchen dringend multiprofessionelle Teams mit Lehrkräften mit der fachlichen Kompetenz Deutsch als Zweitsprache. Dies kann nicht einfach den bestehenden Lehrkräften zusätzlich übertragen werden.
  • Auch die Kritik an der Fremdevaluation, sie biete den Schulen zu wenig Anhaltspunkte, wo sie Entwicklungsaufgaben hätte, ist so nicht berechtigt. Das Problem ist nicht die Fremdevaluation, sondern die Tatsache, dass Schulen kaum Ressourcen für Unterrichts- und Qualitätsentwicklung erhalten.
  • Wenn das KM und die Landesregierung die Qualität des Bildungssystems verbessern wollen, dann sollten sie zunächst ihre eigenen Hausaufgaben machen und für eine ausreichende Finanzierung sorgen. Die GEW ist jedenfalls nicht der Auffassung, dass sich mit Druck und Kontrolle Qualitätsverbesserungen erreichen lassen. Auch zentrale Prüfungen und Klassenarbeiten gibt es bereits genug an den BS.