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Runder Tisch im Kultusministerium

Schule queer gedacht

Ende März wurde mit einem ersten Runden Tisch der Aktionsplan der Landesregierung zur Gleichstellung von LSBTIQ*-Menschen nach langem Stillstand und vielen Ankündigungen im Kultusbereich wieder angegangen. Einige Maßnahmen laufen inzwischen.

von links: Ruth Schwabe (GEW-Arbeitskreis Lesbenpolitik), Sandra Boser (Staatsekretärin im Kultusministerium), Patrick Wagner (ZSL), Manuela Reichle (GEW-Referentin)
von links: Ruth Schwabe (GEW-Arbeitskreis Lesbenpolitik), Sandra Boser (Staatsekretärin im Kultusministerium), Patrick Wagner (ZSL), Manuela Reichle (GEW-Referentin) (Foto: GEW Baden-Württemberg)

Gut 20 Personen waren der Einladung des Kultusministeriums (KM) zum ersten Runden Tisch „Schule queer gedacht“ gefolgt, um sich gemeinsam über den Umsetzungsstand des Bildungsplans 2016 auszutauschen, Handlungsbedarfe zu identifizieren und Perspektiven zu beschreiben. Mit dabei waren Vertreter*innen der GEW-Arbeitskreise (AK) Lesben- und Schwulenpolitik, die GEW-Referentin für Frauen-, Gleichstellungs- und Geschlechterpolitik, die Landeszentrale für politische Bildung, das Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg sowie Vertreter*innen der Schulpsychologie, der Schulsozialarbeit, der Rektor*innenvereinigungen, der Seminare (Sekundarstufe I), des Landeseltern-, Landesschüler*innen- und Landesschulbeirats sowie des Kultusministeriums und des Zentrums- für Schulqualität und Lehrer*innenbildung (ZSL) selbst.

Sandra Boser, Staatssekretärin im Kultusministerium, glaubt, dass Lehrkräfte noch unsicher seien, wie sie mit Trans-Schüler*innen umgehen sollen. Außerdem sei es noch ein weiter Weg, bis Baden-Württemberg das Ziel der diskriminierungsfreien Schulen erreicht habe. Ohne Akzeptanz von Vielfalt sei aber auch das Ziel „Demokratie sichern“ nicht erreichbar. Mit der Einführung der Leitperspektive „Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt“ (BTV) im Bildungsplan sei schon ein erster wichtiger Schritt getan, aber das Thema LSBTIQ* müsse noch präsenter an den Schulen sein, damit diese zu einem sicheren Ort für alle werden.

Patrick Wagner, am ZSL zuständig für Belange rund um LSBTIQ*, stellte fünf Maßnahmen des KM und ZSL vor:

  • die Ausrichtung des Runden Tisches selbst,
  • eine Presseerklärung zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (IDAHOBIT),
  • für den Herbst einen Schulleiter*innenbrief
  • sowie die Planung einer Fachtagung zur nachhaltigen Implementierung der Leitperspektive BTV.
  • Schließlich soll ein Modellschulenprojekt im Schuljahr 2023/2024 folgen.

Sandra Boser gab die längerfristigen Ziele vor: Haltung, Sichtbarkeit und Selbstverständlichkeit von Vielfalt.

Auf die Haltung kommt es an

Einigkeit herrschte, dass die Haltung bei der Inklusion von Minderheiten zentral sei. Judith Ulmer, Verantwortliche für LSBTIQ* an der ZSL-Regionalstelle Mannheim und Karlsruhe, sagte: „Alle in einer Bildungseinrichtungen Arbeitenden und Lernenden profitieren, wenn Vielfalt als Bereicherung und nicht als Problem angesehen wird.“ Als Pädagog*innen hätten alle Lehrkräfte die grundlegende Kompetenz, auf LSBTIQ*-Menschen an Schulen einzugehen. Auch die Schulsozialarbeit leiste einen wichtigen Beitrag dafür, dass queere Kinder und Jugendliche Ansprechpersonen vor Ort haben, ergänzte Ribanna Schönau vom Vorstand des Netzwerkes Schulsozialarbeit. Außerdem leisteten Schulaufklärungsprojekte durch pädagogisch begleitete Begegnungen von Schulklassen mit LSBTIQ*-Jugendlichen einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung einer offenen Haltung von Schüler*innen.

Neben der Haltung ist nach Auffassung der Teilnehmenden eine solide Wissensbasis wichtig. Eine Unterrichtshandreichung für Lehrkräfte zum Thema LSBTIQ* sei eine Grundlage dafür, dass alle Lehrkräfte ganz selbstverständlich das Thema im Unterricht mit einbauten. Bis die Informationslücke durch Handreichungen des ZSL und KM gefüllt ist, wäre es wünschenswert, dass schon existierendes Material über Links im ZSL und KM angeboten wird. Auch bei Schulbuchverlagen sei noch viel Luft nach oben bei der Darstellung von LSBTIQ*-Personen und Thematisierung von Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung. „Jede zehnte Person in einem Schulbuch sollte lesbisch, schwul, bisexuell, trans oder inter sein“, lautet eine Forderung. Damit die Schulbuchverlage dies tatsächlich umsetzen, müssten die Qualitätskriterien auf dem Landesbildungsserver Baden-Württemberg für die Publikationswürdigkeit von Inhalten erweitert werden durch die explizite Benennung der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Vielfalt.

Die Sichtbarkeit von LSBTIQ*-Menschen sollte nicht nur im Unterricht und in Schulbüchern erhöht werden. Ruth Schwabe vom AK Lesbenpolitik der GEW regte an, dass LSBTIQ*-Lehrkräfte, die offen mit ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität umgehen, eine Vorbildfunktion einnehmen könnten. Grundlage dafür sei, dass das KM den Schulen Impulse setzt, an einer diskriminierungsfreien, sicheren Schul­atmosphäre zu arbeiten. Die Handreichung „Stärkung von LSBTIQ*-Beschäftigten an Bildungseinrichtungen“ helfe dabei. Auch in den neu eingeführten Ziel- und Leistungsgesprächen zwischen Schulleitung und Schulamt könnte Schulentwicklung in Richtung LSBTIQ*-inklusive Schulkultur ein Thema sein. Aber auch schon die bestehenden Leitbilder der Schulen eröffneten Möglichkeiten, LSBTIQ*-Personen sichtbarer zu machen.

Was noch kommen sollte

In der Lehrer*innenausbildung sahen einige Anwesenden eine komplette Leerstelle. Ein gemeinsames Konzept der Seminare für Schulrecht, ­Fachdidaktik und Pädagogik wurde eingefordert. Es sollte Kompetenzstandards und eine verbindliche Stundenzahl für die Leitperspektive BTV einschließen. Ebenso seien rechtliche Klarstellungen auch rund um das Thema Trans* an Schulen wichtig. Außerdem fehle in Ministerien die Kategorie „divers“ in den Formularen. Das sei bestehendes Recht seit 2019. Ruth Schwabe schlug einen gemeinsamen Aktionsplan des KM mit dem Wissenschaftsministerium (MWK) und dem Sozialministerium vor.

Robert Feil, verantwortlich beim Kultusministerium für den Leitfaden zu Demokratiebildung, versprach zu Fragen der schulischen Praxis eine FAQ-Liste auf der Internetseite des Kultusministeriums, Informationen zu Rechtsfragen sowie den Schulleitungsbrief. Außerdem soll ein Materialpool mit vorhandenem Material erstellt werden. Eine Mitwirkung der Expert*innen des Runden Tisches sei erwünscht.

Eine Fortsetzung des Runden Tisches ist geplant.

Kontakt
Manuela Reichle
Referentin für Hochschule und Forschung und für Frauen-, Geschlechter- und Gleichstellungspolitik
Telefon:  0711 21030-24