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Schulen, Schüler*innen, Übergänge

Schullandschaft in Baden-Württemberg in Zahlen

Wie viele Lehrkräfte benötigen wir? Wo müssen Schulen gebaut oder verändert werden? Passen die Schulbus-Planungen? Einen Einblick geben die Daten der Schülerzahlenentwicklung, des Schulwahlverhaltens und der ­regionalen Schulentwicklung.

Foto: Shutterstock / GEW

Eine leicht steigende Zahl an Schülerinnen und Schülern an öffentlichen allgemeinbildenden Schulen meldete das Statistische Landesamt im Februar dieses Jahres. An den Haupt-/Werkreal- und Realschulen sind 2021/2022 erneut Rückgänge festzustellen. Zuwächse verzeichnen die Gemeinschaftsschulen und die SBBZ. Wie schon seit vielen Jahren ist das Gymnasium führend bei der Wahl der Schulart nach Klasse vier. An den öffentlichen Haupt- und Werkrealschulen ist die Anzahl der Schüler*innen im aktuellen Schuljahr erstmals unter die Marke von 40.000 gefallen.

Betrachtet man die Schüler*innenzahlen an öffentlichen und privaten Schulen, für die Daten bis zum Schuljahr 2020/2021 vorliegen, zeigt sich, dass erst der langfristige Blick die erheblichen Umbrüche der Schullandschaft öffnet (siehe ­Abbildung 1).

Abbildung 1: Gesamtschülerzahl an öffentlichen und privaten allgemeinbildenden Schulen: Seit dem Schuljahr 1985/86 (unterer lila Balken) ist die Zahl der Haupt- und Werkrealschüler*innen um rund 80 Prozent gesunken.

Wie geht diese Entwicklung weiter?

Im Oktober 2021 veröffentlichte das Statistische Landesamt die letzte aktualisierte Vorausberechnung der Schüler- und Schulabschlusszahlen bis 2030. Demnach „[...] dürfte die Gesamtschülerzahl nach einem weiteren leichten Rückgang auf rund 1,5 Millionen im laufenden Schuljahr in den kommenden Schuljahren wieder zunehmen. Die Vorausberechnung ergibt bis zum Schuljahr 2030/2031 einen Anstieg auf 1,62 Millionen Schülerinnen und Schüler“ – und damit um gut elf Prozent. Es wird davon ausgegangen, dass bis 2030/2031 in jeder Schulart mehr Schüler*innen zu erwarten sind, jedoch bei unterschiedlicher Ausgangsbasis und Zuwachsrate. In den Prognosen können bildungspolitische Entscheidungen, die im Laufe der Legislaturperiode erst getroffen werden oder unvorhersehbare politische Ereignisse naturgemäß nicht abgebildet werden.

Anmeldezahlen und Übergänge

Die Anmeldezahlen an weiterführende Schularten in den Schuljahren 2019/2020, 2020/2021 und 2021/2022 haben sich sowohl absolut als auch anteilig nicht sehr stark verändert. Die Daten gehen aus einer Landtagsanfrage der SPD (PDF) nach der Entwicklung der Schülerzahlen hervor (siehe Abbildung 2).


Abbildung 2: Anmeldezahlen an weiterführende Schularten
Schulart 2019 / 20 2020 / 21 2021 / 22
Gemeinschaftsschule 12.513 14,41 % 13.184 15,05 % 12.877 14,71 %
Gynmasium 36.070 41,55 % 35.782 40,84 % 37.228 42,52 %
Haupt- und
Werkrealschule
5.205 6,00 % 5.172 5,90 % 4.888 5,58 %
Realschule 29.771 34,29 % 29.905 34,13 % 29.028 33,15 %
SBBZ 3.257 3,75 % 3.581 4,09 % 3.538 4,04 %
gesamt 86.816 100,00 % 87.624 100,00 % 87.559 100,00 %

Die Anmeldezahlen an den Grund- und weiterführenden Schulen sind auch unter dem Gesichtspunkt der regionalen Schulentwicklung relevant: Tragfähige, stabile, wohnortnahe und gut ausgestattete Schulstandorte sind ein Element der Bildungsgerechtigkeit. So hat es das 2008 veröffentlichte Gutachten zur regionalen Schulentwicklung klar herausgearbeitet (vergleiche Bargel/Bargel: Schullandschaft im Umbruch, 2008). Aus Sicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) muss die regionale Schulentwicklung wieder aufgegriffen, weiterentwickelt, und alle Schularten müssen einbezogen werden. Das Ziel, „allen Schülerinnen und Schülern in zumutbarer Erreichbarkeit von ihrem Wohnort einen Bildungsabschluss entsprechend ihren Begabungen und Fähigkeiten zu ermöglichen“, wie es das Kultusministerium auf seiner Homepage beschreibt, muss aktiv gestaltet werden und kann nicht den Entwicklungen vor Ort überlassen bleiben.

Weg zum Abitur

Das Interesse an den „Modellschulen G9“ ist nach wie vor groß. Die Anmeldezahlen zeigen, dass die Kapazität des G9-Weges an Gymnasien voll ausgeschöpft wird. Wie sich dies im Zuge des Ausbaus der Oberstufen an Gemeinschaftsschulen entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Dort steigt die Schüler*innenzahl nämlich stetig an: Von 101 im Schuljahr 2018/2019 auf 421 im Schuljahr 2020/2021.

Im Schuljahr 2021/2022 sind zu den bereits bestehenden Oberstufen an den Gemeinschaftsschulen in Konstanz, Tübingen, Wutöschingen und Friedrichshafen noch vier weitere hinzugekommen, nämlich in Schwäbisch Hall, Karlsruhe, Stuttgart und Esslingen.

Schulartwechsel

Schüler*innen wechseln die Schulart nicht nur nach der Grundschule. Auch danach gibt es Zu- und Abgänge. Für das Schuljahr 2021/2022 liegen bisher nur die Zahlen aus den öffentlichen Schulen vor. Hier waren es über alle Klassenstufen und alle allgemeinbildenden Schularten der Sekundarstufe I hinweg rund 4.200 Wechsel. Gut ein Drittel aller Abgänge betreffen Schüler*innen der Gymnasien, die überwiegend zu Realschulen wechseln (siehe Abbildung 3).


Abbildung 3: Schulartwechsel nach Klasse 5
Zielschulart Schüler*innen
insgesamt
von
HS/WR
von
RS
von
GY
von
GMS
von integr.
Schularten
von
SBBZ
Zugänge aus
allen Schularten
in Werkrealschule 41.506   660 17 155 31 135 998
in Realschule 192.766 236 0 1.252 289 86 59 1.922
in Gymnasium 202.691 10 162 0 83 79 6 340
in Gemeinschaftsschule 82.669 132 354 189 0 49 215 939
gesamt   378 516 1.458 527 245 415 4.199

Exkurs: Die Lage der Grundschulen

Ob und inwiefern die Schulgröße die Qualität beeinflusst, ist sehr schwer zu beantworten. Es gibt dazu keinen wissenschaftlichen Konsens und schon gar nicht konkrete Zahlen oder auch nur quantitative Bandbreiten. In einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2015 (PDF) werden die wesentlichen Qualitätsaspekte der Schulgröße so zusammengefasst: „Beispielsweise ermöglicht eine facettenreichere Zusammensetzung von Mitschülern den Schulen ‚Peer Groups‘ so zu organisieren, dass sie Lernsteigerungen ermöglichen. Große Schulen können Lehrer beschäftigen, die auf ein bestimmtes Fach spezialisiert sind, und leichter hochqualifizierte Lehrer anlocken. Andererseits könnten kleine Schulen eine höhere Qualität an sozialen Interaktionen aufzeigen und Schüler fühlten sich der Schule mehr verbunden.“

In der Landtagsdrucksache zu Entwicklung der Schülerzahlen fragt der Landtagsabgeordnete Stefan Fulst-Blei (SPD) auch nach den Schülerzahlen an Grundschulen. Die Gesamtschülerzahl wird für die Schuljahre 2018/2019, 2019/2020 und 2020/2021 nach Einzelschulen ausgewiesen (siehe Abbildung 4).


Abbildung 4: Anzahl der kleinen Grundschulen
Gesamtschülerzahl 2020 / 21 Unter Mindestgröße
Annahme: < 60
Knapp über Mindestgröße Annahme < 80 GrundSchulen
insgesamt
Anzahl Schüler*innen 1 – 63 64 – 126
öffentlich 313 689 2.328
privat 51 30 111
gesamt 364 719 2.439

Blickt man mit der Brille der regionalen Schulentwicklung auf diese Daten, fällt zunächst auf, dass von den 2.439 Schulen 329 unter die (fiktive) Mindestgröße von 16 Schüler*innen fallen (eigene Berechnungen). Fiktiv deshalb, weil die Grundschulen nicht unter den § 30c Schulgesetz (Verfahren der regionalen Schulentwicklung) fallen, in dem die Mindestgröße für die weiterführenden Schulen auf 16 in der Eingangsklasse festgelegt ist. Hilfsweise wurde angenommen, dass Schulen mit einer Gesamtschülerzahl von 60 (durchschnittliche Klassengröße 15) in den Eingangsklassen unter 16 fallen. Auffällig ist, dass bei den so definierten kleinen Schulen der Anteil der Schulen in privater Trägerschaft überproportional ist.

Es besteht ein breiter parteipolitischer Konsens darüber, dass für Grundschulen das Prinzip „Kurze Beine – kurze Wege“ gilt. Im aktuellen Koalitionsvertrag heißt es dazu „Wir halten am Prinzip ‚kurze Beine – kurze Wege‘ fest.“ Die GEW unterstützt das Vorhaben der Regierungsparteien, „zu prüfen, ob mehrere Standorte unter einer Schulleitung zusammengefasst werden können – ohne dass dabei der einzelne Standort in Frage gestellt wird“. Dies ist allerdings nur akzeptabel, wenn die Schulleitungsaufgabe durch Verwaltungsassistenz und eine ausreichende Leitungszeit in die Lage versetzt wird, dieses Sprengelprinzip auch auszufüllen. Hier hilft ein Blick in die Ressourcenausstattung der Südtiroler Schulen, die ihre Schulen schon länger so organisieren.

Kontakt
Ute Kratzmeier
Referentin für allgemeinbildende Schulen
Telefon:  0711 21030-25