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Umfassende Änderungen des Schulgesetzes

Was die GEW gut, und was sie unzureichend bis nicht akzeptabel findet

Anfang August endete das Anhörungsverfahren für zahlreiche Änderungen im Schulgesetz. Die GEW hat zu den vielfältigen Themen Verbesserungen vorgeschlagen, lehnt aber auch einige Neuregelungen ab. Auszüge aus dem Änderungspaket.

Das Ganztagsangebot an Grundschulen sowie den Grundstufen der sonderpäda­gogischen Bildungs- und Beratungszentren (Lernen) soll künftig auch an 5  Tagen mit 7 oder 8 Zeitstunden möglich sein (§ 4a Schulgesetz (SchG)). Dies ist zu begrüßen. Die neuen 5-Tage-Modelle erfüllen auch den für 2026 vorgesehenen Rechtsanspruch auf Ganztag nach einem Bundesgesetz. Das würde Kommunen von Ganztagsangeboten entlasten. Offen bleibt, wie angesichts des eklatanten Fachkräftemangels ein erweitertes Ganztagsangebot umgesetzt und die Anforderungen des Qualitätsrahmens Ganztagsschule eingelöst werden sollen.

Die GEW widerspricht allerdings vehement dem Vorhaben, der Schulkonferenz künftig nur noch ein Anhörungsrecht einzuräumen. Eine gelingende Ganztagsschule setzt die Bereitschaft und Zustimmung derjenigen voraus, die den Ganztagsbetrieb umsetzen. Eine gute Kooperation der schulischen Beteiligten – Eltern, Lehrkräfte, pädagogische Fachkräfte – und des Schulträgers ist unabdingbar. Die Einrichtung einer Ganztagsschule, die allein auf der Entscheidung des Schulträgers beruht, kann die Zusammenarbeit der Akteure nachhaltig beschädigen und ist daher nicht zielführend. Vielmehr müssen Land und Schulträger die Ganztagsschulen so ausstatten, dass die Einführung und Gestaltung für alle attraktiv ist.

Im § 32 Schulgesetz wird die Trennung der Aufgaben „Aufsicht und Beratung“ der staatlichen Schulaufsicht wieder zurückgenommen. Die GEW hatte in den Stellungnahmen zum Qualitätskonzept die Trennung dieser Aufgaben umfassend kritisiert und begrüßt nun diesen Schritt. Die Zusammenführung dieser Aufgaben muss allerdings mit entsprechenden personellen Ressourcen für die Schulämter unterfüttert werden.

Unklar ist, welche Konsequenzen dies für das Qualitätskonzept hat, vor allem für die Beratungsaufgaben der Fachberater*innen, die überwiegend dem ZSL zugeordnet sind. Gleichzeitig sollen die Fachberater*innen an den Regierungspräsidien „besondere Schulaufsichtsbeamt*innen“ sein, welche nach § 37 Schulgesetz für besondere Aufgaben der Schulaufsicht bestellt werden können. Hier muss es dringend eine Aufgaben- und Rollen­klärung im Rahmen des überfälligen Berufsbilds für Ausbilder*innen und Fortbildern*innen geben.

„Es kann nicht sein, dass für Verbesserung von ASV-BW, einem Programm, das 4.500 Schulleitungen im Land nutzen müssen, zu wenig Geld zur Verfügung steht. 4.500 Schulleitungen könnten mit einem ­verbesserten Programm einfach und sinnvoll Zeit, Arbeit und ­Frustration sparen.“

Für Lehrkräfte wird die Nutzung von informationstechnisch gestützten Systemen, soweit sie an den Schulen zur Verfügung stehen, verpflichtend (§ 38). Die GEW meint: Diese Verpflichtung wird die Bildung mit digitalen Medien an den Schulen nicht verbessern. Die Schulen müssen vielmehr in die Lage versetzt werden, digitale Medienkonzepte auszuarbeiten, sie müssen Support für die Verwaltung und Nutzung der digitalen Ausstattung erhalten und umfassende Fortbildungen für die Gestaltung des Unterrichts wahrnehmen können. Wenn Lehrkräfte ausreichend Zeit zur Verfügung haben, digitale Systeme und Tools als einen Aspekt der Unterrichts- und Schulentwicklung „zu ihrer Sache“ zu machen, erübrigt sich eine undifferenzierte und diffuse Verpflichtung, die Technik zu nutzen.

Die GEW sieht keinen Grund, den Lehrkräften die bisherige Entscheidungskompetenz über den Einsatz informationstechnisch gestützter Systeme zu entziehen. § 38 Absatz 6 regelt auch bisher nicht, ob Folien, Einzelblätter, Bücher oder nur Kopien derselben „im Rahmen der vorhandenen Ausstattung der Schule“ benutzt werden. Ebensowenig gibt das Schulgesetz vor, welcher Lehrmethoden (Frontalunterricht, Gruppenarbeit, Online-Chatgruppen, ...) sich die Lehrkräfte be­dienen. Der bisherige Satz „Sie entscheiden in diesem Rahmen auch über den Einsatz informationstechnisch gestützter Systeme“ ist völlig ausreichend. Im Übrigen ist es eine klassische Aufgabe der GLK, den schulischen Rahmen zum Einsatz der Lehr- und Lernmittel zu setzen.

Die Datengestützte Qualitätsentwicklung an Schulen (§ 114), die Datenverarbeitung (§ 115) und die Digitale Bildungsplattform (§ 115a) als neuer Abschnitt sind weitere wesentliche Inhalte der Gesetzesänderungen, die ebenfalls das Thema Medien und Mediennutzung aufgreifen.

Dass zentrale Erhebungen an Schulen durch das Institut für Bildungsanalysen durchgeführt werden, kann als Professionalisierung der Qualitätsentwicklung verstanden werden. Die Einbindung der Sichtweisen der Schulleitungen ist sinnvoll.

Der Duktus des Qualitätskonzepts und des Qualitätsverständnisses ist jedoch einseitig auf die Generierung von Daten fokussiert. Wichtig scheint, was messbar ist. Daten können durchaus wichtige Signale geben, wie Unterricht und Schule verbessert werden können. Sie müssen jedoch unbedingt in Konzepte eingebunden sein, die die pädagogische Arbeit, die sozialen Beziehungen, den Sozialraum und die räumlichen und örtlichen Bedingungen der Schulen berücksichtigen. Außerdem ist die datengestützte Qualitätsentwicklung zu einseitig auf die Kompetenzen der Kernfächer ausgerichtet. Damit werden wichtige Faktoren der schulischen Bildung außer Acht gelassen.

Wenn Schüler*innen, Lehrkräfte und Schulleitungen zur Teilnahme an der Datenerhebung verpflichtet werden, muss das Kultusministerium die Erhebungen so gestalten, dass

  1. ein Mehrwert für 
  2. die Beteiligten erkennbar wird,
  3. die Beteiligten die für die Durchführung und Auswertung notwendige Zeit bzw. Arbeitszeit haben, aus den Ergebnissen wirksame ­Maßnahmen abgeleitet werden, die die Arbeit an den Schulen ­nachhaltig verbessern.

Bisher werden viele Daten erhoben, ohne dass daraus Veränderungen und Maßnahmen abgeleitet werden. Die empirische Bildungsforschung kann bisher kaum wirksame Empfehlungen vorlegen. In die Konzeption der Studien und bei der Abwicklung von darauf aufbauenden Maßnahmen müssen Wissenschaftler*innen einbezogen werden, die schulpädagogische und fachdidaktische Expertise mitbringen.

Die neu hinzugefügte Regelung Nr. 1a (Berufsberatung, Berufsorientierung) im § 115 Datenverarbeitung erweitert den Spielraum des Kultusministerium, eine Rechtsverordnung zu Datenerhebung zu erlassen. Was diese Regelung in der Praxis bedeutet, kann erst bewertet werden, wenn die Rechtsverordnung auf dem Tisch liegt. Die Intention des Gesetzes, dass die Bundesagentur für Arbeit Schüler*innen, die weder einen Ausbildungs- noch einen Schulplatz haben, ein passgenaues Angebot machen kann, ist richtig und unterstützenswert.

Informationstechnische Plattformen für die Schulen werden künftig, sofern sie funktionieren, ein grundlegender Bestandteil der schulischen Arbeit sein. Das Schulgesetz sollte deshalb so formuliert werden, dass die rechtliche Absicherung von digitalen Plattformen nicht nur auf „Die Digitale Bildungsplattform“ abstellt, sondern einen Rahmen setzt, der technologieoffen ist, die fortschreitende technologische Entwicklung mit bedenkt und auch und vor allem Open-Source-Systeme im Blick hat.

In diesem Zusammenhang ist auch die Fokussierung auf die Statistik- und Schulverwaltungssoftware ASV-BW zu eng. Das Programm ist nach der Rückmeldung vieler Schulleitungen falsch konzipiert und kein Instrument, das im schulischen Alltag sinnvoll eingesetzt werden kann. Die GEW erwartet eine substantielle und umgehende Weiterentwicklung des Programms, die anwenderfreundlich(er) und alltagstauglich(er) ist und auch differenziert nach den Bedürfnissen der Schulen bereitgestellt werden kann. Derzeit verweist das IBBW regelmäßig darauf, dass für sinnvolle Änderungen kein Geld für die notwendigen Programmierarbeiten zur Verfügung steht. Hier muss das Kultusministerium handeln. Es kann nicht sein, dass für die notwendige Verbesserung eines Programms, das 4.500 Schulleitungen im Land nutzen müssen, zu wenig Geld vorhanden ist. 4.500 Schulleitungen könnten mit einem verbesserten Programm einfach und sinnvoll Zeit, Arbeit und Frustration sparen.

Mit dem neu eingefügten §115b Einsatz digitaler Medien im Unterricht, digitale Lehr-/Lernformen werden die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie aufgeriffen und digitale Lehr- und Lernformen (Fernunterricht) auf eine rechtliche Grundlage gestellt. Dies ist aus Sicht der GEW sinnvoll, da derzeit die Schulpflicht nur als Präsenzunterricht erfüllt werden kann.


Außerhalb einer Pandemie oder ähnlichen Ausnahmesituationen muss nach Auffassung der GEW der Präsenzunterricht jedoch die Regel bleiben, von der nur in begründeten Einzelfällen abgewichen werden kann.
Allerdings wird in der Neuregelung von § 115b die GLK übergangen. Die Schulaufsicht trifft allein die Entscheidung, ob Präsenz- oder Fernunterricht stattfindet. Diese Regelung lehnt die GEW ab.

Der Einsatz digitaler Lehr- und Lernplattformen im Fernunterricht kann nur in Ausnahmefällen den Präsenzunterricht ersetzen, wenn

  • der Ausnahmezustand voraussichtlich länger als eine Schulwoche andauert, 
  • alle Schüler*innen mit digitaler ­Technik ausreichend ausgestattet und mit deren Anwendung vertraut sind,
  • beim Fernunterricht einzelner Schüler*innen eine amtliche / ärztliche Entscheidung die längerfristige Nichtteilnahme der Schüler*in begründet und erklärt, dass die/der Schüler*in dennoch am Unterricht teilnehmen kann,

der Unterricht im Klassenverband aufgrund plötzlich auftretender aber anhaltender außergewöhnlicher Ereignisse (Pandemie, Erdbeben, Schulhausbrand, ...) auf längere Zeit nicht im eigenen oder einem anderen Schulgebäude stattfinden kann.

Davon unberührt bleiben jedoch digitale Formate, die Teil des pädagogischen Konzepts der Schule oder des Unterrichts sein können, zum Beispiel blended learning. Ob und in welchem Umfang diese Formate zum Einsatz kommen, kann und muss in der Verantwortung der einzelnen Lehrkräfte liegen.

Keinesfalls akzeptabel ist hingegen der Vorschlag, dass aus „organisatorischen Gründen“, Fern- oder digitaler Unterricht als Maßnahme bei Lehrkräftemangel eingesetzt werden soll. Auch wenn die Ständige Wissenschaftliche Kommission diesen Vorschlag gemacht hat, lehnt die GEW dies entschieden ab. Die desolate Personalsituation an den Schulen mit Fern- oder digitalem Unterricht auf Kosten der Beschäftigten beheben zu wollen, ist nicht weniger als eine Bankrotterklärung der Politik.

Digitalen Unterricht für einzelne Schüler*innen hält die GEW schon wegen der unzureichenden Personalsituation und fehlendem technischen Support für nicht umsetzbar.

Völlig unklar ist überdies der Umgang mit der „Verhinderung von Schüler*­innen am Präsenzunterricht aus gesundheitlichen Gründen“. Es müsste zunächst genau definiert werden, ob mit den „gesundheitlichen Gründen“ auch der Status „krank“ gemeint ist. Damit bleibt aber immer noch ungeregelt, welche anderen „gesundheitlichen Gründe“ ein Recht oder eine Pflicht an der Teilnahme am Unterricht über Hybridformate begründen könnten. Ob dies im Rahmen eines Gesetzes überhaupt geregelt werden kann, darf bezweifelt werden.

Die GEW schlägt deshalb vor, dass die GLK darüber beschließen sollte, welche pädagogischen Maßnahmen (Hausunterricht, Fernunterricht, Online-Teilnahme etc.) unter Berücksichtigung der schulischen Möglichkeiten und der örtlichen Gegebenheiten in den Fällen des Absatz 2 zum Tragen kommen.

Zu viel wird zu detailliert geregelt

Bei einer Reihe von Schulgesetzänderungen sollen Verordnungsermächtigungen verankert werden. Die Möglichkeiten des Kultusministeriums, Rechtsverordnungen zu erlassen, wird dadurch ausgeweitet. Damit wird in vielen Fällen nicht erkennbar, welche inhaltliche Konzeption hinter einer Regelung steht, welche Konsequenzen die Maßnahme auslöst – insbesondere dann, wenn die entsprechenden untergesetzlichen Regelungen nicht vorliegen.

Andererseits haben die geplanten Änderungen einen Detaillierungsgrad des Schulgesetzes erreicht, der dem Ziel der Entbürokratisierung entgegenstehen dürfte. Für eine gute Schul­ent­wicklung braucht es mehr Gestaltungsspielräume für die Schulleitungen und die ­Kollegien, um den individuellen Bedürfnissen vor Ort besser gerecht werden zu können. Die GEW ist gerne bereit, sich mit dem Kultusministerium darüber auszutauschen.

Kontakt
Ute Kratzmeier
Referentin für allgemeinbildende Schulen
Telefon:  0711 21030-25