Interview
„Wir können viel erreichen“
Farina Semler ist nicht nur Mitglied im Haupt- und Bezirkspersonalrat Gymnasien, sondern auch bei der GEW zuständig für Frauen- und Gleichstellungspolitik, für die Tarifbeschäftigten, Hochschulen und die gewerkschaftliche Bildung. Was treibt sie an?
Farina Semler ist nicht nur Mitglied im Haupt- (HPR) und Bezirkspersonalrat (BPR) Gymnasien, sondern auch stellvertretende GEW-Landesvorsitzende, Vorsitzende der Landespersonengruppe Arbeitnehmer*innen, Vorsitzende des DGB-Bezirksfrauenausschusses und Mitglied in der Bundestarifkommission. Bei der GEW ist sie damit politisch verantwortlich für Frauen- und Gleichstellungspolitik, für die Tarifbeschäftigten, für Hochschulen und die gewerkschaftliche Bildung. Was treibt sie an?
Farina, du bist für die GEW viel unterwegs. Welche von deinen Funktionen beansprucht dich aktuell am meisten?
Farina Semler: Zum Jahresende hat mich die Tarifarbeit am meisten beansprucht. Wir haben Anfang Dezember den Abschluss erreicht, und danach ging es um die Aufarbeitung. Das hat mehrere Wochen meinen Arbeitsalltag geprägt.
Noch vor Weihnachten bereiteten wir Aktionen und ein Video für den Frauentag am 8. März vor. Das gehört zu meinen Aufgaben beim DGB.
Du kandidierst bei den Personalratswahlen für den Hauptpersonalrat Gymnasium, Bereich Arbeitnehmer*innen. Was ist dir wichtig?
Semler: Für mich ist zentral, dass Arbeitnehmer*innen auch von Arbeitnehmer*innen vertreten werden. Das ist nicht selbstverständlich. Es gibt auch viele beamtete Personalrät*innen, die diese Arbeit aus Mangel an Kandidat*innen übernommen haben.
Bei Arbeitnehmer*innen ist vieles anders geregelt als bei Beamt*innen. Ein Beispiel sind Höhergruppierungen und Beförderungen. Wenn das Kultusministerium (KM) hier etwas ändern will, muss im HPR jemand darauf achten, dass die Arbeitnehmer*innen keine zusätzlichen Nachteile erleiden, weil Regelungen für Beamt*innen nicht eins zu eins übertragbar sind.
Aber das KM weiß doch Bescheid.
Semler: Auch im KM wird zunächst aus der Perspektive Beamt*innenverhältnis gedacht und geplant. Bei Tariffragen wird auch gern auf die Verantwortung anderer Ministerien verwiesen. Darüber hinaus müssen wir verlangen, dass Schulleitungen über die Besonderheiten informiert werden. Denn Schulleitungen kennen diese möglicherweise nicht und sind dann erstaunt, wenn Arbeitnehmer*innen kommen und erklären, dass für sie andere Regelungen gelten.
Hast du ein Beispiel?
Semler: Bei der Mehrarbeitsabrechnung (MAU) können Arbeitnehmer*innen echte Nachteile entstehen, wenn Schulleitungen nicht Bescheid wissen. Bei Arbeitnehmer*innen gibt es nämlich eine Ausschlussfrist von sechs Monaten und bei teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer*innen keine Bagatellgrenze. Das heißt, die Mehrarbeitsabrechnung muss innerhalb von sechs Monaten geltend gemacht werden. Und damit die tarifbeschäftigten Lehrkräfte das wissen, informieren wir auf allen Kanälen, oft über die GEW.
Es geht also oft darum, seine Rechte wahrzunehmen.
Semler: Bleiben wir als Beispiel bei den befristetet Beschäftigten. Sie können nach drei Jahren einen Antrag auf Entfristung stellen. Die Noten müssen dafür gut und ein Bedarf muss vorhanden sein. Landesweit gibt es rund 5.000 Befristete. Ich sehe über meine Arbeit im Hauptpersonalrat, wie wenig sich auf eine Entfristung bewerben. Wahrscheinlich wissen viele nicht Bescheid. Ich nutze jede Gelegenheit, darüber zu informieren, auch dort, wo nicht nur Vertreter*innen der Arbeitnehmer*innen sind: Bei den jährlichen Personalratsschulungen in Bad Boll beispielsweise.
Ihr wollt auch Ungerechtigkeiten abbauen. Was soll sich deiner Meinung nach die nächsten fünf Jahre verbessern?
Semler: Wichtig wäre mir, dass Lehrkräfte ohne Lehramtsausbildung weiter qualifiziert werden. Im Gymnasium betrifft das viele Lehrkräfte, die Kunst unterrichten. Sie sollen vom KM Angebote zur Qualifizierung bekommen, die dazu führen, dass sie höhergruppiert werden können.
Von den Schulen wünsche ich mir, dass sie diese Lehrkräfte offen aufnehmen und ihnen die Unterstützung geben, die sie brauchen. Wohl wissend, dass die Kollegien auch so schon viel zu tun haben.
Wie viele Plätze wollt ihr für die GEW gewinnen?
Semler: Es gibt für den HPR Gymnasium zwei Arbeitnehmer*innenplätze. Einen möchte ich als Spitzenkandidatin auf jeden Fall verteidigen. Bei den Beamt*innen sind wir in der Minderheit und wollen unsere sechs Plätze behalten und möglichst noch ein paar dazugewinnen.
„Wir Personalrät*innen sorgen für mehr Sachlichkeit und wollen, dass es auf Grundlage des Gesetzes und des Tarifvertrages zu guten Lösungen kommt.“
Du bist für die Arbeitnehmer*innen an Gymnasien eine ideale Kandidatin: Gymnasiallehrerin, Arbeitnehmerin, im Tarifgeschehen involviert und bei der GEW in vielen Funktionen unterwegs. Du kennst daher auch viele Arbeitnehmer*innen aus anderen Schularten und aus deren HPR. Gibt es noch etwas, was dich persönlich auszeichnet, was du besonders gut kannst?
Semler: Ich kann sehr gut beraten. Darauf können sich die Kolleg*innen verlassen. Ich kenne das Landespersonalvertretungsgesetz sehr gut, ebenso wie die Entgeltordnung für Lehrkräfte. Wenn ich doch mal was nicht beantworten kann, dann weiß ich sofort, mit wem ich mich austauschen kann.
Ich bin kämpferisch und mutig und setze mich auch für Dinge ein, von denen ich persönlich nicht profitiere. Dazu gehört beispielsweise die Sommerferienbezahlung. Ich habe keine Gelegenheit ausgelassen, das Thema anzusprechen, und es ist auch mit mein Verdienst, dass die GEW diese Bezahlung erreicht hat. Es gibt Punkte, die können die Betroffenen nicht alleine durchsetzen. Das muss jemand übernehmen und im Personalrat und in der GEW zum Thema machen. Ich denke, dass ich dafür geeignet bin und lass mich nicht unterkriegen.
Wenn jemand an der Bedeutung der Personalratswahlen zweifelt, was sagst du dann?
Semler: Ich bin ja nicht nur im HPR, sondern auch im BPR. Wenn Lehrkräfte eingestellt werden, prüfe ich als BPR, ob die Menschen korrekt eingruppiert sind. Es kommt immer mal wieder vor, dass ich nachfrage. Wenn es keine Personalrät*innen gäbe, würde da niemand genau hinschauen.
Wir sehen auch, wie groß der Bedarf ist. Unsere Telefone stehen nicht still und unsere E-Mail-Konten laufen voll.
Es ist auch nichts Anrüchiges, einen Rat beim Personalrat zu holen?
Semler: Ja, das wird leider kolportiert. Es wäre schön, wenn das normaler wäre. Beispiel: Eine Kollegin soll zum Gespräch mit der Schulleitung. Wir raten immer, nimm eine Person deines Vertrauens mit. Das versteht dann eine Schulleitung schon mal als Konfrontation. Da fände ich gut, wenn das einfach selbstverständlich wäre. Für viele Schulleitungen ist auch klar, dass das nichts Schlimmes ist.
Ihr Personalräte seid auch für den Schulfrieden verantwortlich und wollt nichts mittragen, worunter die Schule leidet?
Semler: Das Wichtigste bei der Personalratsarbeit ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Das steht auch ganz vorne im Personalvertretungsgesetz. Und das muss über allem stehen, von beiden Seiten aus.
Die Schulleitung profitiert davon, wenn Konflikte ausgeräumt werden.
Semler: Genau. Es ist wünschenswert, dass Konflikte nicht nur als persönliche Auseinandersetzung gesehen werden. Wir Personalrät*innen sorgen für mehr Sachlichkeit und wollen, dass es auf Grundlage des Gesetzes und des Tarifvertrages zu guten Lösungen kommt.
„Es gibt für den HPR Gymnasium zwei Arbeitnehmer*innenplätze. Einen möchte ich als Spitzenkandidatin auf jeden Fall verteidigen.“
Was motiviert dich, so viel Zeit und Kraft in die GEW- und Personalratsarbeit zu stecken?
Semler: Ich glaube, dass wir viel erreichen können. Das klappt nur, wenn wir viel dafür tun. Seit ich im Landesvorsitz aktiv bin, erlebe ich, dass Dinge vorangehen. Die bezahlten Sommerferien sind so ein Beispiel. Wir haben auch im KM einen runden Tisch für queere Fragestellungen im Schulbereich anstoßen können. Das ist im Zuge des Jubiläums zu 30 Jahre AK Lesbenpolitik entstanden. Auch in der Gleichstellungspolitik sind wir vorangekommen.
Spannend finde ich auch, mich mit Kolleg*innen auf der Bundesebene auszutauschen. Das gibt Anregungen und Ideen, Neues zu probieren. Das finde ich bereichernd.
Mich motivieren auch Einzelfälle, bei denen ich helfen kann. Wenn ich beispielsweise den entscheidenden Hinweis geben kann, der zu einer finanziellen Verbesserung eines Mitglieds oder Kollegin führt, ist das sehr zufriedenstellend. Dafür nehme ich mir Zeit, schaue genau hin. Da ich die Regeln kenne, kann ich auch gut beraten und helfen.
Das Interview führte Maria Jeggle.