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Enquetekommission „Krisenfeste Gesellschaft“ im Landtag

„Wir reden gerne über mögliche Lösungen“

Welche Lehren sind aus zweieinhalb Jahren Pandemie-Bekämpfung zu ziehen? GEW-Landesvorsitzende Monika Stein sprach über die Folgen der Schulschließungen und des Fernunterrichts – und machte Vorschläge, wie sich die Kommunikation verbessern lässt.

GEW-Landesvorsitzende Monika Stein spricht im Landtag von Baden-Württemberg.
GEW-Landesvorsitzende Monika Stein spricht im Landtag von Baden-Württemberg.

Welche Lehren sind aus zweieinhalb Jahren Pandemie-Bekämpfung zu ziehen? Dieser Frage ging die Enquetekommission „Krisenfeste Gesellschaft“ in ihrer öffentlichen Sitzung am 30. Juni 2023 im Landtag von Baden-Württemberg nach. Die GEW als größte bildungspolitische Interessenvertretung in Baden-Württemberg wurde von der Kommission zur öffentlichen Anhörung eingeladen. Das Gremium wollte von der GEW-Vorsitzenden Monika Stein hören, welche Lehren die GEW aus Schulschließungen und Homeschooling während der Corona-Pandemie zieht. Auch Handlungsempfehlungen waren gefragt.

Zusammenfassung der GEW-Position

Bildungs- und Betreuungseinrichtungen gehören zu den Einrichtungen der Daseinsvorsorge, die über einen besonderen Schutz- und Fürsorgeauftrag verfügen. Dazu zählen unter anderem Institutionen der frühkindlichen Bildung (Kitas), allgemeinbildende und berufliche Schulen, Frauen- und Kinderschutzhäuser, stationäre und ambulante Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, genauso wie Hochschulen und Universitäten und die Bereiche der Weiterbildung. In der Pandemie wurden diese Institutionen mehrfach für mehrmonatige Zeiträume geschlossen und der Betrieb, soweit möglich, ins Digitale verlagert. Diese Maßnahme hatte und hat – zusammen mit den allgemeinen Pandemiefolgen – vielfältigen Einfluss auf das Leben und die Bildungsbiographien von Kindern und Jugendlichen.

„Die GEW schlägt eine ­Enquetekommission zum Fachkräfte­mangel in der Bildung vor.“

Zentral ist: Der Betrieb von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen muss in Krisen jeder Art prioritär sichergestellt werden. Dazu muss die Infrastruktur der Bildungseinrichtungen viel besser aufgestellt sein: Die Schule ist ein System am Limit. Fachkräftemangel, Sanierungsstau oder verschlafene Digitalisierung setzen die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen aufs Spiel. Die Krise hat all das überdeutlich sichtbar gemacht. Im Sinne einer Resilienz des Gemeinwesens in Baden-Württemberg muss jetzt mutig und durchdacht in die Zukunft investiert werden.

„Die Schere geht weiter auseinander“ – die Pandemie verstärkte die Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen aus sozial ­herausfordernden Lagen und mit Behinderungen. Bedarfsgerechte Maßnahmen sind die zeitnahe Umsetzung einer sozialindexbasierten Ressourcenzuteilung, die Stärkung leicht zugänglicher Unterstützungsangebote und die Umsetzung der Inklusion entsprechend der UN-Behindertenrechtskonvention. Für diese Maßnahmen sind zusätzliche Stellen für Lehrkräfte und andere Professionen erforderlich.

Der Stand der Digitalisierung an Schulen wird als lückenhaft skizziert und die Schaffung eines flächendeckenden, praxisorientierten und zukunftsfähigen Gesamt­systems als Aufgabe benannt. Kinder und Jugendliche müssen in einer von der ­Kultur der Digitalität geprägten Welt zu mündigen Bürger*innen erzogen werden. Die GEW fordert Mut. Verbote und Verzögerungen sind aus Sicht der GEW kontraproduktiv. Notwendig ist, dass die Schulen professionelle Unterstützung bei der Administration der Geräte erhalten und dass bald Mittel für den weiteren Ausbau der digitalen Medien sowie für Ersatzbeschaffungen zur Verfügung stehen.

Systematische Reibungsstellen in der Kommunikation zwischen Bund, Land, Kommunen und Trägern werden an konkreten Beispielen wie der Bereitstellung digitaler Endgeräte benannt. Die GEW fordert ein Gremium zur Krisenkommunikation aus relevanten Akteur*innen der betroffenen Bereiche – unbedingt auch unter Einbeziehung der Elternschaft und der Schüler*innen.

Monika Stein fragte: „Wie sollen Mega-Projekte wie der Ganztagsausbau, Sprachförderung, Integration Geflüchteter und die steigenden Schüler*innenzahlen gestemmt werden? Die Enquete-Kommission „Krisenfeste Gesellschaft“ zeigt, dass wir dauerhaft krisenfeste Bildungseinrichtungen brauchen. Es darf nicht mehr passieren, dass Kneipen geöffnet werden und Schulen geschlossen bleiben, weil zum Beispiel Schulgebäude so marode sind, dass dort nicht sicher und gesund gelernt werden kann. Die Maßnahmen der Landesregierung gegen den Fachkräftemangel sind bisher mut- und phantasielos.“

„Für die Automobilindustrie gibt es einen Strategiedialog, zum Thema Bildung einen Kabinettsabend. Durch die Kampagne „The Länd“ Fachkräfte anzuwerben, mag sinnvoll sein. Wichtiger sind aber Investitionen in die Fachkräfte von morgen“, erklärte Stein.

Am 9. März 2022 hat der Landtag von Baden-Württemberg beschlossen, eine Enquetekommission „Krisenfeste Gesellschaft“ einzusetzen. Diese soll sich mit der Frage beschäftigen, wie krisenfest die baden-württembergische Gesellschaft aufgestellt ist und welche Maßnahmen nötig sind, um die Resilienz (Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit) von Staat und Gesellschaft zu stärken. Hierzu sollen insbesondere auch Lehren aus den zwei zurückliegenden Jahren der Pandemie und aus den zu ihrer Bewältigung angewandten Strategien gezogen werden. Ziel ist es, konkrete Handlungsempfehlungen zu erarbeiten, die dem Landtag von Baden-Württemberg übergeben werden.

Die Enquetekommission besteht aus 14 Abgeordneten der im Landtag vertretenen Fraktionen. Zudem hat die Enquetekommission auch 8 externe Mitglieder aus Wissenschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft. Die Laufzeit ist auf 24 Monate angelegt. Vorsitzender ist Alexander Salomon (Grüne) und Stellvertreterin Natalie Pfau-Weller (CDU).

Parallel zur Tätigkeit der Enquetekommission hat sich von Oktober 2022 bis Januar 2023 ein Bürgerforum „Krisenfeste Gesellschaft“ mit der Frage, wie sich das baden-württembergische Gemeinwesen auf künftige Krisen vorbereiten kann, beschäftigt. Die 48 zufällig ausgewählten Einwohner*innen Baden-Württembergs richteten hierzu Empfehlungen und Forderungen an die Enquetekommission.
Weil beim Bürgerforum deutlich geworden war, dass Familien in Krisen besonders stark belastet waren, wurden ergänzend vier digitale Fokusgruppen beauftragt und durchgeführt.

Enquetekommission

Zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachverhalte kann der Landtag eine Enquetekommission einrichten. Er ist dazu verpflichtet, wenn dies von einem Viertel der ­Mitglieder des Landtags oder von zwei F­raktionen ­beantragt wird. Der Enquetekommission können auch sachverständige Personen angehören, die nicht Mitglied des Landtags sind. Die Enquetekommission erstattet dem Landtag einen abschließenden schriftlichen Bericht.

Die Bildungsgewerkschaft lädt die Kabinettsmitglieder zu Schulbesuchen ein. „Wer im Jahr 2023 eine Grundschule besucht, wird sofort verstehen, warum auch Grundschulen wie alle anderen Schulen zusätzliche Stunden für Förderangebote brauchen. Wer nächste Woche um 11 Uhr vor einer Realschule steht und sieht, wie die ersten Klassen wegen Unterrichtsausfall nach Hause gehen, weiß, dass die ständige Vertretungsreserve mit knapp 2.000 Lehrkräften bei 5.000 bis 7.000 dauerhaften Ausfällen viel zu klein ist. Das sind nur zwei von vielen Beispielen der zahlreichen bildungspolitischen Baustellen. Wir reden gerne über mögliche Lösungen, zum Beispiel in einer Enquete Fachkräftemangel“, erklärte Stein.

Kontakt
Monika Stein
Landesvorsitzende
Telefon:  0711 21030-10