Zum Inhalt springen

Reiche Eltern für alle? – Podiumsdiskussion zur Studiensituation von Arbeiterkindern

Am 8.11.17 führte die GEW Kreis Freiburg zusammen mit Arbeiterkind.de und der Friedrich-Ebert-Stiftung eine Podiumsdiskussion zum Thema „Reiche Eltern für alle? – Wer darf heute noch studieren?“ an der Universität Freiburg durch.

Im Wahlkampf wurde das Thema Bildungsgerechtigkeit und die Frage, wer denn noch studieren darf, leider nur am Rande diskutiert. An diesem Abend stand das Thema im Mittelpunkt. Unter anderem wurde nachgefragt: Dürfen heute nur noch Kinder mit reichen Eltern studieren. Wie studieren Arbeiterkinder, wenn sie es an die Uni geschafft haben? Welche Probleme tauchen auf? Ebenso interessant waren die Fragen: Welchen Benefit hat die Uni von Arbeiterkindern? Wodurch profitiert die Gesellschaft, wenn mehr Arbeiterkinder studieren? Und was und wo läuft denn eigentlich schon richtig gut?

Die Teilnehmer*innen des Podiums gaben vielfältige Antworten auf ein Thema, das im Uni-Alltag noch nicht wirklich angekommen ist. Katja Urbatsch, Gründerin von Arbeiterkind.de, betonte, dass Studieren für alle Jugendlichen möglich sein müsse und nicht von der Herkunft bestimmt sein dürfe. Immer noch sei es so, dass viel mehr Akademikerkinder ein Hochschulstudium beginnen. Die Arbeiterkinder würden, wenn Sie ein Studium beginnen vielfach nicht wissen, wie und wo sie Unterstützung bekommen. „Akademikerkinder bekommen Rückhalt von den Eltern oder der Verwandtschaft, Arbeiterkinder hingegen kämpfen an mehreren Fronten und müssen sich dauernd rechtfertigen, dass sie studieren und kein Geld verdienen.“

Prof. Poscher stellte diese Probleme dar und forderte: „Dadurch, dass die Studierenden oft nicht mehr den Anforderungen entsprächen, reagierte die Universität zu wenige auf die fehlenden Anforderungen.“ Er möchte deshalb gerne einen individuellen Ansatz: „Wer die deutsche Sprache noch nicht kann, bekommt einen Sprachkurs. Wer Probleme mit Klausuren habe, paukt Aufgabenstellungen. Wer nicht weiß, wie man ein Referat hält, darf einen Workshop dazu besuchen. Wer unter Prüfungsangst leidet, nimmt an einem speziellen Kurs zu diesem Themenfeld teil.“

Auch Thomas Notter von der Arbeitsagentur war es wichtig, deutlich zu machen, dass an den individuellen Bedürfnissen der Studierenden nicht vorbeiberaten werden darf. Deshalb stehe am Anfang immer eine Potentialanalyse, die gemeinsam mit den Studierenden erstellt wird.

Dirk Schwald, Sachbearbeiter für Bafög-Anträge, machte darauf aufmerksam, dass das Studierendenwerk mittlerweile Werbung für Anträge machen müsste, da die Zahl der Anträge zurückgehen. Woran das wohl liegt? Studieren immer weniger Jugendliche, deren Eltern das Geld dazu nicht haben? Er ermutigte auf jeden Fall einen BAFÖG-Antrag zu stellen. „Man kann nichts verlieren, nur vielleicht 100 Euro mehr im Monat zur Verfügung haben.“

Pierre Kreibich stellt sehr eindrücklich dar, dass er während seines Studiums ständig unter Erfolgs- und Zeitdruck gestanden hätte. Das Hin- und Herspringen zwischen zwei Welten habe in teilweise bis zur Erschöpfung angestrengt. „Trotzdem habe ich versucht meine Zeit zu dritteln, denn das machen Akademikerkinder auch: 1/3 Studium, 1/3 Reisen, 1/3 Arbeiten.“ Die Zeit für Muse muss da sein, auch für Erststudierende.

Auch Katja Urbatsch betonte, dass Erststudierende durch fehlende Unterstützung oft an sich zweifeln und das Studium abbrechen. Einig waren sich am Ende alle Teilnehmer*innen darüber, dass dieses Thema noch zu wenig in den Köpfen aller Institutionen sei und es zu wenig Forschungsergebnisse dazu gebe.

Nabila Bushra, eine Zuhörerin, machte darauf aufmerksam, dass sie auf dem Podium die speziell weibliche und migrantische Position zum Thema vermisse. Frauen vor allem mit Migrationshintergrund, die Erststudierende seien oder auf das Gymnasium gehen, hätten ganz andere Probleme – so z.B. das Ringen mit kulturellen Identitäten, dem Verlust von Heimat und der Konfrontation mit Vorurteilen. Wer dazu mehr wissen möchte, sei auf die unten angegebene Seite verwiesen.

http://www.islamiq.de/2017/10/15/muslimische-frauen-muessen-nicht-gerettet-werden/

Auf dem Podium saßen (von links nach rechts) Thomas Notter, Agentur für Arbeit, Katja Urbatsch Gründerin Arbeiterkind. de, Dirk Schwald, BAFÖG-Team Studierendenwerk, Prof. Ralf Poscher, Vertrauensdozent der FES, Pierre Kreibich, Erststudierender. Moderiert wurde die Diskussion von Andrea Wagner.