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Lehrermangel

GEW legt Bedarfsprognose vor – und wird von Land bestätigt

Das Kultusministerium hat die Lehrkräftebedarfsprognose der GEW bestätigt. Die Bildungsgewerkschaft begrüßt, dass die Landesregierung neue Stellen schaffen will – und schlägt weitere Maßnahmen gegen den Lehrermangel an Schulen vor.

Die Anfang Februar von der GEW vorgestellte Lehrerbedarfsprognose des Bildungswissenschaftlers Klaus Klemm (PDF) kam auf einen Mehrbedarf von 10.500 Lehrerstellen. Zwei Wochen später bestätigte die Modellrechnung des Kultusministeriums (KM) diese Zahl. Das KM rechnet mit einem Zusatzbedarf von 10.600 Lehrerstellen bis 2030. Das ist ein großer Fortschritt, aber nur, wenn die Lehrerstellen tatsächlich an den Schulen ankommen.

Die GEW begrüßt den Vorschlag der Kultusministerin, neue Lehrerstellen zu schaffen und freut sich, dass das KM die Einschätzung der GEW teilt, dass in den kommenden Jahren viele zusätzliche Stellen für Lehrerinnen und Lehrer geschaffen werden müssen. „Diese Landesregierung hat eine einmalige Chance. Die Kassen sind voll und die Daten für eine verlässliche Lehrerbedarfsplanung liegen vor. Wenn die Regierung Kretschmann jetzt handelt, mehr Studienplätze und neue Lehrerstellen schafft, kann sie Fehler früherer Landesregierungen vermeiden und den drohenden Lehrermangel in den weiterführenden Schulen verhindern“, sagte der stellvertretende GEW-Landesvorsitzende Michael Futterer, als das KM seine Zahlen bekannt gab.

Die GEW fordert, dass allein aufgrund der steigenden Schülerzahlen laut der Klemm-Studie mindestens 6.254 zusätzliche Stellen geschaffen werden. Wenn auch pädagogische Maßnahmen wie Ganztagsangebote oder Klassenleitungsstunden und eine höhere Vertretungsreserve einberechnet werden, müssen 10.500 neue Stellen an den Sekundarschulen und den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) geschaffen werden. Diese Zahlen veröffentlichte die GEW Anfang Februar und kritisierte, dass das KM bisher von einer viel zu niedrigen Entwicklung der Schülerzahlen ausgehe und auch die anstehenden Pensionierungen nicht angemessen berücksichtige. „Und nie werden pädagogische Verbesserungen oder der zusätzlicher Zeitbedarf für Lehrkräfte eingerechnet“, betonte Futterer. Schon 2017 hatte die GEW auf Grund­lage eines anderen Gutachtens gefordert, dass für die Grundschulen bis 2030 circa 12.000 zusätzliche Lehrkräfte eingestellt werden müssen. Für diesen Bedarf werden vor allem für die Grundschulen, die SBBZ und die Inklusion viel zu wenig Lehrkräfte ausgebildet.

Stellen dürfen keine Ankündigung bleiben

Mitte Februar reagierte das KM auf die Forderungen der GEW und legte eigene Berechnungen vor. Zum ersten Mal hat auch das KM pädagogische Veränderungen und Weiterentwicklungen in die Planungen einbezogen. Einberechnet sind beispielsweise der Ausbau von Ethik auf alle Schularten, Entlastungen für Schulleitungen, höhere Teilzeitquoten oder Ausbau der Lehrkräftereserve. Das alles ist ein Fortschritt, genau diese Parameter waren in den GEW-Prognosen und -Forderungen der letzten Jahre immer enthalten. Aber die Zahlen dürfen keine Ankündigung bleiben. Ob sich Kultusministerin Susanne Eisenmann durchsetzen kann, zeigt sich erst im Herbst. Dann müssen aus den berechneten Bedarfen zusätzlich finanzierte Stellen im Landeshaushalt werden. Die GEW wird genau beobachten, ob die Landesregierung und der Landtag ihre Verantwortung wahrnehmen.

Die GEW weist auch darauf hin, dass in der Modellrechnung des Kultusministeriums unter anderem Verbesserungen für die Inklusion, der Abbau der Überstunden-Bugwellen an den Gymnasien, Poolstunden für Förderunterricht vor allem an den Grundschulen und die Einführung multiprofessioneller Teams an allen Schularten fehlen.

Bewerbermangel bis 2030

Die Landesregierung muss umgehend dafür sorgen, dass möglichst schnell qualifizierte Lehrkräfte vor allem in den Grundschulen und in der Sonderpädagogik zur Verfügung stehen. Den Berechnungen des KM zufolge, können in diesen beiden Schularten bis 2030 die notwendigen Stellen nicht besetzt werden – es fehlen schlicht die Bewerberinnen und Bewerber.

Wenn die Landesregierung handeln will, gibt es einfache und schnelle Lösungen:

  • Die Bedingungen für das Aufbaustudium Sonderpädagogik verbessern und Lehrkräfte aller Schularten während dieses Studiums bezahlen.
  • Mehr Absolventinnen und Absolventen aus Baden-Württemberg nach dem Lehramtsstudium motivieren, in den Vorbereitungsdienst zu gehen und eine Stelle in Baden-Württemberg anzunehmen. Dafür sind vor allem bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung notwendig.
  • Bessere Bedingungen schaffen, damit mehr gymnasiale Lehrkräfte für die Arbeit in den Grundschulen und in der Sonderpädagogik qualifiziert werden.
  • Grundschullehrerinnen und -lehrer nach A 13 bezahlen.
  • Die Studienplätze für Sonderpädagogik erhöhen (seit 2016 unverändert) und den Ausbau der Studienplätze für Grundschule fortsetzen.

Aus Sicht der GEW macht es sich das Kultusministerium zu einfach, wenn es die Schuld am Lehrermangel dem Wissenschaftsministerium und den Hochschulen zuweist. Das Ministerium hat berechnet, dass von 100 Studienanfängerinnen und -anfängern im Lehramt Grundschule nur 55 in den Schuldienst eingestellt ­werden. Wann die 45 anderen ­verschwinden, ist unklar: Während des Studiums? ­Bestehen sie die Prüfungen nicht? Treten sie den Vorbereitungsdienst an? Bestehen sie den Vorbereitungsdienst? Ist der Schuldienst in Baden-Württemberg attraktiv oder gehen sie woanders hin?

Die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz kritisiert die aktuellen Maßnahmen des Kultusministeriums gegen den Lehrermangel als „wenig wirksamen Aktionismus“ und schlägt ein 12-Punkte-Programm zur ­Gewinnung von Lehrkräften vor.

12-Punkte-Programm zur Gewinnung von Lehrkräften

Die GEW schlägt dafür kurzfristig wirksame Maßnahmen gegen den Lehrermangel vor. Dazu gehört eine Erhöhung der Altersermäßigung mindestens ab dem Alter von 63 Jahren. Dadurch soll erreicht werden, dass mehr ­Lehrkräfte bis zur gesetzlichen Altersgrenze im Dienst bleiben. Derzeit arbeiten nur 26 Prozent bis zur gesetzlichen Altersgrenze. Die Erhöhung dieses Prozentsatzes schafft nicht nur zusätzliches Unterrichtsvolumen, sondern trägt sogar zur Senkung der Versorgungsausgaben bei.

Ein zügiger Ausbau der Vertretungsre­serve wäre vor allem in den ­Gymnasien sofort möglich. „Wir haben für viele Fächer genug Bewerberinnen und Bewerber auf dem Arbeitsmarkt. Es ist angesichts der vielen Ausfälle längst überfällig, die feste Vertretungsreserve mit zusätzlichen Planstellen auszubauen und für eine bessere Unterrichtsversorgung zu sorgen“, sagte Moritz.

In der ständigen Lehrerreserve sind 1.666 Stellen, gleichzeitig gibt es pro Schuljahr 6.000 bis 7.000 Lehrkräfte, die längere Zeit ausfallen, die meisten aufgrund von Mutterschutz und Elternzeit. Grüne und SPD hatten sich 2011 auf einen Ausbauplan geeinigt und wollten die Lehrerreserve jährlich um 200 Stellen ausbauen. Der Ausbauplan wurde nach zwei Jahren wieder eingestellt, obwohl die Zahl der Ausfälle weiter steigt.

„Was spricht dagegen, diesen Ausbauplan sofort wieder aufzunehmen? Seitdem ist die Zahl der jungen Lehrkräfte, die Kinder bekommen, weiter gewachsen und die Zahl der Ausfälle steigt kontinuierlich. Gleichzeitig haben im September 2018 2.000 Gymnasiallehrkräfte keine Stelle bekommen“, betonte die GEW-Chefin.