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Hochschulen für Angewandte Wissenschaften

Nach langer Vorarbeit Promotionsrecht erreicht

In den letzten Jahren keimte an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in Deutschland der Wunsch, Promotionen betreuen und den Doktortitel verleihen zu dürfen. In Baden-Württemberg wurde das mit einem besonderen Modell jetzt erreicht.

Für ein Promotionsrecht an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Baden-Württemberg sprechen erreichte Forschungsstärke, aber auch neue Studienrichtungen, die überwiegend oder gar ausschließlich an HAW existieren. Außerdem studieren an den HAW circa ein Drittel aller Studierenden des Landes, sodass ein großes Potential an Absolvent*innen vorhanden ist, die sich nach dem Master weiter qualifizieren wollen.

In Sachsen-Anhalt bekamen alle HAW auf zehn Jahre befristet ein eigenständiges Promotionsrecht zuerkannt. In Hessen empfahl kürzlich ein Gutachten, den HAW und den bisher praktizierten Zusammenschlüssen forschungsstarker Wissenschaftlicher*innen zu Promotionszentren die Weiterführung. Ebenso hat der Wissenschaftsrat für NRW ein positives Gutachten zum Promotionsrecht verfasst.

Nach jahrelangem Kampf der baden-württembergischen HAW haben die Argumente für ein Promotionsrecht Ministerin Theresia Bauer und das Wissenschaftsministerium (MWK) überzeugt. Insbesondere die großen Landesuniversitäten hatten Jahrelang dagegen argumentiert und Studierenden das Promovieren schwer gemacht. Promotionswillige berichteten immer wieder von sehr hohen Eingangshürden oder sehr hohen Forderungen Studieninhalte nachzuholen, sodass die Promotion an einer Universität sehr unattraktiv war. Die Forschungsstärke und Expertise, sowohl der Masterabsolvent*innen als auch der Professor*innen an HAW lässt sich jedoch nicht leugnen. Ist doch der Master – insbesondere nach erfolgreicher Programm- oder Systemakkreditierung als gleichwertig eines Universitätsmasters anzusehen. Auch die steigenden Aktivitäten der HAW in der Forschung sind deutlich sichtbar und aus der Wissenschaftswelt nicht wegzudenken.

Durch den zunehmenden Druck aus HAW und Politik verpflichteten sich die Universitäten vor knapp 10 Jahren die Kooperative Promotionen – ein Promotionsverfahren, bei dem der oder die Zweitgutachter*in von einer HAW kommen konnte – zu stärken. Jedoch führten diese Bekenntnisse nicht zum erhofften Durchbruch und einer substantiellen Steigerung von Promovierenden. Nun gelang den HAW eine Einigung zwischen den einzelnen HAW herzustellen, wie ein hohes Niveau gewährleistet und dem Argwohn der Universitäten entgegenwirken kann. Wenn die formalen Kriterien und die neuen Strukturen stehen, können Studierende einer HAW über einen Promotionsverband der HAW promovieren. Der lange und beständige hochschulpolitische Kampf der HAW wurde von Erfolg gekrönt.

Wie die Qualität gesichert wird

Das Besondere am neuen baden-württembergischen Model ist, dass, nicht wie üblich einer Hochschule oder einer Fakultät das Promotionsrecht verliehen wird, sondern einem Verband der HAW. Hierzu haben die Hochschulen eine öffentliche Einrichtung – einen Verband – gegründet, der von seiner Struktur her die akademischen Gremien wie Senat, aber auch die Kontrollgremien der Wissenschaft und die Qualitätssicherung abbildet. Sehr viele Professor*innen der HAW sind seit Jahren in Forschungsnetzwerken aktiv, publizieren regelmäßig ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse und werben von Jahr zu Jahr mehr Drittmittel ein, wie die jährlich vom MWK erhobeneren Forschungskennzahlen offenbaren.

Professorinnen und Professoren, die ihre Forschungsexpertise in den künftigen Promotionsverband einbringen möchten, müssen bestimmte Qualitätskriterien nachweisen. Hierzu gehören eine bestimmte Anzahl von Publikationen in den letzten Jahren oder die Einwerbung von Drittmittel, sodass die Forschungsstärke auch nachgewiesen werden kann. Diese neuen Möglichkeiten eröffnen den Hochschulehrenden der HAW neue Möglichkeiten, die Wissenschaftsdisziplin weiterzuführen und werten dadurch der Professur an HAW auf.

Nach der Etablierung der neuen Strukturen sollen die Promotionswilligen direkt an ihren Wunschhochschulen betreut und als Promotionsstudierende eingeschrieben werden. Somit können sie die Infrastruktur wie Bibliotheken, Datenbanken oder Labore mit nutzen. Auch steht den Promovierenden im neuen Promotionsverband ein Mitspracherecht zu. Hierzu gehört das aktive und passive Wahlrecht für die Hochschul- beziehungsweise Verbandsgremien.

Wenn die Strukturen etabliert und die ersten Promovierenden ihre Urkunden in der Hand halten, wird sich der Verband an seinen Versprechungen messen lassen müssen. Ein konstant hohes akademisches Niveau, die Einhaltung von etablierten Standards guter wissenschaftlicher Arbeit aber auch einer substantiellen Steigerung der Promotionsverfahren und somit auch einer weiteren deutlicheren Steigerung des wissenschaftlichen Outputs der HAW.

Kontakt
Marco Unger
Vorsitzender Fachgruppe Hochschule und Forschung