Zum Inhalt springen

Für die Freiheit, in Frieden zu forschen

Es ist unumstritten, dass Forschung Grenzen hat. In der Hauptsache setzen Recht und Ethik einer jeden Forschung Grenzen, etwa wenn es um die Verwendung vom embryonalen Stammzellen, dem Klonen von Menschen oder bestimmten Formen von Gentechnik geht. Recht und Ethik wiederum sind keine festen Größen, sie unterliegen dem gesellschaftlichen Wandel und sie gehen aus gesellschaftlichen Auseinandersetzungen hervor. Grenzenlose Forschungsfreiheit, die ohne rechtliche und ethische Einschränkungen einhergeht, kann und darf es daher nie geben.

Die Forschungsfreiheit einzuschränken unterliegt deshalb keiner ideologischen Beliebigkeit oder einer bestimmten politischen Meinung. Ein Einschränken fragt vielmehr danach, welchen Wandel und damit welche Zukunft wir uns wünschen; und welche Lernprozesse sich im kulturellen Gedächtnis und der steten Auseinandersetzung mit diesen Prozessen als praktikabel, ethisch vertretbar und vielleicht sogar rechtlich kodifiziert herausgebildet haben.

Die Zivilklausel, die gewiss die Forschungsfreiheit einschränkt, vereinnahmt daher nicht im Sinne einer Ideologie oder schränkt Forschung unzulässig ein. Das oft zitierte Denninger-Gutachten der Böckler-Stiftung (2009) erkennt genau dieses an und zeigt, dass aufgrund der Friedensfinalität des Grundgesetzes eine Zivilklausel zulässig und verhältnismäßig die Forschungsfreiheit einschränkt. Die Friedensfinalität, also eine Ausrichtung auf eine friedliche Zukunft des vom Grundgesetz beschriebenen Gemeinwesens, ist wiederum nicht beliebig, sondern sie ist eine aus geschichtlichen Erfahrungen gereifte Errungenschaft, die es nicht leichtfertig von der Hand zu weisen gilt.

Die Erfahrungen der grundgesetzlichen Friedensfinalität sind ohne Zweifel vor dem Hintergrund der Schrecken der beiden Weltkriege, der Shoa und der militarisierten Zustände in Kaiserreich und Nazizeit zu suchen. Der militarisierte und nazistische Geist jener Zeit herrschte auch auf den Fluren der Universitäten, die mit ihren Wehrwissenschaften oder der interdisziplinären Forschung an der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zu Krieg und Ausgrenzung bis hin zur Auslöschung alles nicht in die menschenverachtende Ideologie passenden Lebens forschten.

Die konkreten Lernerfahrungen, die in der Konsequenz die Forderung nach Zivilklauseln bedingen, sind auch abseits der für die Friedensfinalität relevanten Lernerfahrungen zu finden und sind kein Alleinstellungsmerkmal totalitärer Herrschaft. Die Napalmerforschung von Louis Fieser an der Harvard University ist nur ein bekanntes Beispiel für Forschung, die unnötiges Leid in die Welt brachten.

Die Zivilklausel aufgrund vergangener Lernerfahrungen und zukünftiger Wünsche als zulässige und gebotene Errungenschaft zu begreifen, ist daher auch in einer Demokratie notwendig, gerade in Zeiten, wo Krieg und Militär wieder als Mittel der Politik hoffähig gemacht werden sollen. Die heute teils im Geheimen, teils als Grundlagenforschung verborgene, teils ganz offene Kriegs- und Rüstungsforschung gilt es für die Freiheit, im und für den Frieden zu forschen mit einer Zivilklausel einzuschränken – und an den Hochschulen auch kontinuierlich durchzusetzen.