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Mehr Demokratie an Hochschulen?

Erst 2014 wurde das Landeshochschulgesetz in Baden-Württemberg novelliert. Prompt folgte eine Verfassungsbeschwerde. Geklagt hatte ein Professor der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Karlsruhe. Er sah sich in seiner Wissenschaftsfreiheit verletzt und kritisierte ein zu großes Gewicht von Rektorat, Hochschulrat und Dekanen und eine zu geringe Bedeutung von Senat und Fakultätsrat. Bis März 2018 hat das Wissenschaftsministerium Zeit, das Landeshochschulgesetz anzupassen.

Mit dem Urteil ging der Verfassungsgerichtshof über die Argumentation des Klägers und die bisherige Haltung des Bundesverfassungsgerichts noch hinaus. Das Gericht trug dem Wissenschaftsministerium auf, dem Gebot der Wissenschaftsfreiheit stärker zu entsprechen. Vor allem das individuelle Freiheitsrecht der Professor/innen sowie ihrer gewählten Vertretung im Senat müssten gestärkt werden. Bei allen wesentlichen wissenschaftsrelevanten Entscheidungen von Forschung und Lehre müssten sie die Mehrheit haben. Träger/innen der Wissenschaftsfreiheit seien die Professor/innen. Sie müssten in der Lage sein, einen Rektor, oder ein Rektoratsmitglied, das nicht ihr Vertrauen genieße, abzuwählen, ohne auf Stimmen aus anderen Gruppen oder Gremien angewiesen zu sein. So müssten die von den Professor/innen gewählten Mitglieder im Senat alleine mehrheitlich über die Abwahl eines Rektoratsmitgliedes entscheiden können. Gewählt werden könne ein Rektoratsmitglied nicht gegen die Stimmen der Vertreter/innen der Professor/innen. Statt einem bloßen Ausnahmerecht dieser Gruppe, das Management zu entlassen, wird dieser eng definierten Gruppe der Träger/innen der Wissenschaftsfreiheit die Mehrheit in allen Gremien eingeräumt.

Für die GEW ist das Urteil des Verfassungsgerichtshofs eine Schwächung der Senate, aber auch der Hochschulräte und der Rektorate. Im Senat werden demnach künftig die gewählten Vertreter/innen der Professor/innen dominieren. Die Vertreter/innen der Studierenden, Doktorand/innen und der wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter/innen haben dadurch deutlich weniger Einfluss. Die Hochschulräte können nicht mehr auf Augenhöhe mit den Senaten agieren und die Rektorate sind künftig vom Wohlwollen der gewählten Vertreter/innen der Professor/innen abhängig. Die Bildungsgewerkschaft kritisiert die dem Verfassungsurteil zugrundeliegende Annahme, dass nur Professor/innen Grundrechtsträger/innen der Wissenschaftsfreiheit seien. Nur 7.358 der Wissenschaftler/innen an Baden-Württembergs Hochschulen sind Professor/innen. Forschung betreibt aber auch der „akademische Mittelbau“. Sie ist die größte Gruppe der wissenschaftlich und künstlerisch Beschäftigten (36.642). Dazu gehören auch 30.000 Promovierende und einige Studierende. In einer demokratischen Hochschule sollten alle Statusgruppen mitbestimmen. Deshalb sollte der Senat durch Professor/innen, akademische Mitarbeiter/innen, Doktorand/innen, Studierende und nichtakademische Mitarbeiter/innen paritätisch besetzt sein.