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Sparmaßnahmen contra Fürsorgepflicht

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat die Verordnung der Landesregierung über die Arbeitszeit der beamteten Lehrkräfte an öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg für gültig erklärt. Es bleibt dabei, die Altersermäßigung für Lehrkräfte gibt es frühestens nach dem 60. Geburtstag.

Foto: imago

Dass ältere Lehrkräfte im Vergleich zu jüngeren weniger Wochenstunden Unterrichtsverpflichtung haben, ist keine neue Errungenschaft, wie die Tabelle zeigt. Viele Jahre konnten Lehrer und Lehrerinnen aller Schularten bereits mit 55 Jahren eine zweistündige Deputatsermäßigung in Anspruch nehmen. Diese Regelung wurde jedoch im Lauf der Jahre aufgeweicht – nicht zuletzt um Kosten zu sparen. Der jeweilige Umfang der sogenannten Altersermäßigung war bis zum Ende des Schuljahres 2013/14 in einer Verwaltungsvorschrift geregelt, welche das Kultusministerium relativ unkompliziert an die finanziellen und personellen Ressourcen anpassen konnte.
Seit der Haushaltsaufstellung 2012 stand unter anderem die vollständige Streichung der Altersermäßigung, die Streichung der A13-Beförderung für GHS-Lehrkräfte sowie die Kürzung des allgemeinen Entlastungskontingentes auf der Agenda der Landesregierung. Nicht zuletzt die massiven Proteste der GEW (beispielsweise die Demonstration vom Dezember 2012), an denen sich die Verbände des Beamtenbundes nicht beteiligten, haben dann dazu geführt, dass die Altersermäßigung nicht ganz abgeschafft, sondern „nur“ um zwei Jahre hinaus geschoben wurde.

Neuregelung seit Schuljahr 2014/15

Bereits bei der Kürzung der Altersermäßigung 2009 hatte der GEW-Rechtsschutz zusammen mit dem Hauptpersonalrat GHWRGS erstritten, dass für diese Maßnahme zumindest die Hauptpersonalräte vorher beteiligt werden müssen. In einem mit GEW-Rechtsschutz geführten Verfahren entschied das Bundesverwaltungsgericht 2012, dass die fehlende Beteiligung im konkreten Einzelfall  zwar nicht zur Unwirksamkeit der Regelung führt, gleichzeitig verpflichtete das Gericht jedoch das Land Baden-Württemberg, die Lehrkräftearbeitszeit spätestens ab dem Schuljahr 2014/15 mit einer Rechtsverordnung der Landesregierung zu regeln. Seit 1. August 2014 gilt die Verordnung über die Arbeitszeit der beamteten Lehrkräfte an öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg (Lehrkräfte-ArbeitszeitVO) – ein Kompromiss, der nach den massiven politischen Aktionen der GEW entstand.
Der Gesetzgeber nutzte die Gelegenheit und änderte nicht nur den formalen Charakter der Rechtsgrundlage, sondern nahm auch inhaltliche Änderungen vor. Jetzt gelten wesentlich höhere Altersgrenzen als in der letzten Verwaltungsvorschrift zur Lehrerarbeitszeit: Eine Lehrkraft kann nun frühestens mit Beendigung ihres 60. statt wie bisher ihres 58. Lebensjahres eine Wochenstunde erlassen bekommen und frühestens ab dem 62. Lebensjahr sind es zwei Stunden.

VGH lehnt Normenkontrollklage in vollem Umfang ab
Mit dieser Regelung wollte sich der Beamtenbund nicht abfinden und gewährte zwei Lehrern und einer Lehrerin Rechtsschutz, die als 58- bzw. 60-Jährige im Schuljahr 2013/14 bereits eine ein- bzw. zweistündige Deputatsermäßigung erhalten hatten. Mit der Neureglung  waren ihre Altersermäßigungen ganz oder teilweise entfallen. Die Lehrkräfte leiteten daraufhin eine Normenkontrollklage beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim gegen die neue Rechtsverordnung ein.
Am 28. Januar 2016 hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass die Neuregelung der Altersermäßigung in der Lehrkräfte-ArbeitszeitVO nicht gegen höherrangiges Recht verstoße und damit wirksam sei. Dieser Urteilsspruch bedeutet gleichzeitig, dass das Land nicht gegen seine über das Grundgesetz geschützte Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamt/innen verstößt. Der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, die Altersermäßigung sei eine freiwillige Fürsorgemaßnahme des Dienstherrn und  dürfe daher aus haushaltsrechtlichen Erwägungen einer veränderten Sachlage anpasst werden.
Das Kostenspar-Argument, welches das Land zur Begründung seiner Neu-regelung vorgetragen hat – mehr als 400 zusätzliche Lehrerdeputate, um den Haushalt zu entlasten und die Unterrichtsversorgung sicherzustellen –  wiegt demnach schwerer als der Gesundheitsschutz älterer Lehrerinnen und Lehrer. Dabei ist der Dienstherr aufgrund seiner beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht verpflichtet, die Gesundheit seiner Beamt/innen zu schützen und nicht durch Arbeitsüberlastung zu gefährden. Nach Ansicht des VGH genügt wohl auch der spätere Beginn der Altersermäßigung, um dieser Gefährdung zu begegnen.

Schließlich sah der Verwaltungsgerichtshof auch keine Notwendigkeit für eine Übergangsregelung für diejenigen Lehrkräfte, die, wie die drei Kläger/innen aufgrund der Vorgängerregelung bereits in den Genuss der Altersermäßigung gekommen waren und nun wieder länger unterrichten müssen. Weder Beamt/innen noch andere Staatsbürger/innen könnten darauf vertrauen, dass – so der VGH – eine für sie günstige Regelung in alle Zukunft bestehen bleibe. Die Verwaltungsvorschrift habe nur noch übergangsweise bis zum Ende des Schuljahrs 2013/2014 gegolten. Die Lehrkräfte hätten nicht darauf vertrauen können, dass der Dienstherr die Ermäßigungen uneingeschränkt in die Verordnung übernehmen würde.

Da der VGH die Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen hat, ist an der Neuregelung der Altersermäßigung auf dem Rechtsweg nicht mehr zu rütteln. Hier ist nun der alten und jeder neuen Landesregierung unter Rechtsschutz des Beamtenbundes bestätigt worden, dass die Altersermäßigung jederzeit gekürzt oder gestrichen werden kann. Solche Entscheidungen erschweren jede zukünftige politische Auseinandersetzung. Deshalb hat der GEW-Rechtsschutz diese Verfahren nicht geführt.