GEW: Bürgermeister im Land dürfen sich nicht wegducken
Stuttgart – Die Bildungsgewerkschaft GEW erwartet von den Bürgermeistern in Baden-Württemberg, dass sie sich angesichts des Kita-Streiks „nicht wegducken“. „Wir verstehen, dass die Eltern der Kita-Kinder nicht glücklich über den unbefristeten Streik sind. Die Vertreter der kommunalen Arbeitgeber haben sich in fünf langen Verhandlungsrunden nicht bewegt. Wir erwarten von den Bürgermeistern in unseren Gemeinden und Städten, dass sie den Eltern erklären, warum die Arbeit von Erzieherinnen und Erziehern so wenig wert sein soll. Gute Bildung gibt es nicht umsonst“, sagte am Mittwoch (13.05.) in Stuttgart Doro Moritz, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vor den Streikenden im GEW-Streiklokal bei der Liederhalle.
Die GEW berichtet von einer unerwartet hohen Streikbeteiligung und hat auch von zahlreichen Elterninitiativen und Gesamtelternbeiräten Unterstützung für den Arbeitskampf erhalten. „Täglich melden sich bei uns Erzieherinnen und Erzieher, die bisher noch nicht bei verdi oder der GEW Mitglied waren und sich am Streik beteiligen wollen. Die falschen Aussagen der Arbeitgeber über die vermeintlich gute Bezahlung in unseren Kitas macht alle wütend, die täglich in viel zu großen Kitagruppen hervorragenden Einsatz zeigen, der sich am Ende des Monats nicht auf dem Gehaltszettel niederschlägt. Wenn das Bruttogehalt einer Erzieherin um 600 Euro unter dem durchschnittlichen Bruttogehalt aller Beschäftigten liegt, dann stimmt etwas nicht. Von einer angemessenen Bezahlung für diese wichtige Arbeit kann keine Rede sein“, sagte Moritz.
Die Bildungsgewerkschaft GEW und verdi haben Erzieher/innen und andere Beschäftigte im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst zum Streik aufgerufen. Zentrale Forderung der Gewerkschaften ist eine Neuregelung der Eingruppierungs- und Tätigkeitsmerkmale für die bundesweit rund 240.000 Beschäftigten im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst. Dadurch sollen Gehaltssteigerungen von durchschnittlich zehn Prozent erreicht werden. In der GEW, die seit zwanzig Jahren steigende Mitgliedszahlen verzeichnet, sind die Erzieher/innen die am stärkste wachsende Gruppe innerhalb der Bildungsgewerkschaft.
Absurde Eingruppierungsrichtlinien
„Wie absurd die Regelungen zur Eingruppierung für Erzieherinnen und Erzieher sind, erleben wir zum Beispiel immer wieder, wenn Kitas mehr Kinder unter drei Jahren aufnehmen. In der Regel wird dann die Zahl der Plätze in der Einrichtung verringert, um weiter gute Betreuungsqualität zu garantieren.
Dies kann aber dazu führen, dass die KiTa-Leitung trotz der gewachsenen Anforderungen weniger verdient, da ein Kriterium für das Gehalt die Platzzahl in der Einrichtung ist“, sagte Moritz.
76.400 pädagogische Fachkräfte in BW
In Baden-Württemberg gibt es (Stat. Landesamt, Stand 2014) 8.600 Kindertageseinrichtungen, in denen 87.200 Personen beschäftigt sind, davon knapp 76.400 als pädagogische Fachkräfte, die 404.000 Kinder betreuen und fördern. 41 Prozent der Kitas haben öffentliche Träger. Laut einer Bertelsmann-Studie werden im Südwesten gut 5.000 weitere Erzieher/innen gebraucht.
800.000 Mitarbeiter/innen bei freien Trägern profitieren
Bundesweit stellen die 350.000 Erzieher/innen mit 67 Prozent die größte Beschäftigtengruppe in den Kitas, gefolgt von rund 60.000 Kinderpfleger/innen (12 Prozent) und weiteren Beschäftigten mit einschlägiger Berufsqualifikation. GEW und verdi verhandeln für rund 300.000 Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst der Kommunen. Etwa 800.000 Mitarbeiter/innen freier Träger profitieren in der Regel von de Tarifabschlüssen, da ihre Gehälter häufig an die Entgelttabelle des öffentlichen Dienstes angelehnt sind.
Erzieher/innen 640 Euro unter dem Durchschnittsgehalt
Das Durchschnittsgehalt aller Arbeitnehmer/innen in Deutschland lag laut Stat. Bundesamt 2013 bei 3.449 Euro im Monat. Das Gehalt von Erzieher/innen liegt im Schnitt knapp 640 Euro darunter, Erzieher/innen mit schwieriger Tätigkeit erhalten 412 Euro weniger. Auch verglichen mit Berufen, die eine ähnliche Ausbildung wie die vierjährige Fachschul-Ausbildung der Erzieher/innen haben, ist der Verdienst unterdurchschnittlich.
40 Prozent geben ihren Beruf auf
Die Bildungsgewerkschaft GEW macht vor allem die schlechte Bezahlung dafür verantwortlich, dass 40 Prozent der Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen ihren Beruf wieder aufgeben. Bei Männern liegt die Quote sogar bei 53 Prozent. Die hohe gesundheitliche Belastung führt dazu, dass Erzieher/innen und Kinderpfleger/innen ein Jahr früher in Rente gehen als der durchschnittliche Arbeitnehmer in Deutschland. Ein Viertel geht bereits mit 52 Jahren aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand.
Große Verantwortung für wenig Geld
Die Bildungsgewerkschaft GEW erwartet von den Bürgermeistern in Baden-Württemberg, dass sie sich angesichts des Kita-Streiks „nicht wegducken“.