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Fünf Ideen zur Selbstfürsorge

Raus aus dem Hamsterrad

Die GEW-Landesfachgruppe Gymnasien hat fünf Ideen zusammengetragen, was du an deiner Schule vor Ort ganz konkret gegen Überlastungen tun kannst. Eine Übersicht.

Foto: Shutterstock/GEW

Folgend die fünf Ideen der GEW-Landesfachgruppe Gymnasien zur Selbstfürsorge im Überblick.

1. Bugwelle on top? Eigene Kräfte und familiäre Situation im Blick behalten

Was tun, wenn auf deinem Deputatszettel mehr Stunden erscheinen als du bezahlt bekommst oder du unterjährig Kolleg*innen längerfristig vertreten sollst, du also sogenannte „Bugwellenstunden“ machen sollst? Dann stimme dem bitte nicht vorschnell zu, sondern überdenke deine Gesamtsituation in Ruhe: Schaffe ich das realistisch, auch in besonderen Belastungsphasen?

GEW-Tipp: Bugwellenstunden gibt es nur, wenn du selbst damit einverstanden bist. Wenn du denkst, dass dir diese zu viel werden, kannst du freundlich, aber bestimmt Nein sagen.

Denn 2021 wurde eine Veränderung der Lehrkräfte-Arbeitszeit-Verordnung beschlossen, es wurde unter anderem der §2a ergänzt (eigene Hervorhebung): „(1) Die individuell festgesetzte wöchentliche Unterrichtsverpflichtung einer Lehrkraft kann mit deren Zustimmung zur Sicherung der Unterrichtsversorgung über einen Zeitraum von mindestens zwei Schuljahren ungleichmäßig verteilt werden. Dies kann in der Weise erfolgen, dass sie während des ersten Schuljahres überschritten und grundsätzlich während des darauffolgenden Schuljahres durch Zeitausgleich wieder abgebaut wird. Der Zeitausgleich kann in einem späteren Schuljahr erfolgen, wenn er im darauffolgenden Schuljahr aus dienstlichen Interessen ganz oder teilweise nicht möglich ist.“

2. Was tun, wenn Anrechnungsstunden fehlen?

In Zeiten schmaler Budgets für den Ergänzungsbereich oder im allgemeinen Entlastungskontingent müssen Lehrkräfte immer wieder neu einen gangbaren Ausgleich zwischen ihren (oftmals pädagogisch besonders wertvollen) Zusatzengagements, zum Beispiel für AGs oder außerunterrichtliche Veranstaltungen (AuV), und der wenig bedarfsdeckenden Anrechnung für dieselben finden. Das ist zunächst einmal eine individuelle Entscheidung. Allerdings ist es wichtig, sich innerhalb der Fachschaften kollegial abzusprechen, um einen Unterbietungswettstreit zu verhindern.

Die oben schon erwähnte Lehrkräfte-Arbeitszeit-Verordnung kennt im Übrigen nur drei Fälle, wie sogenannte unterrichtsähnliche Tätigkeiten deputatsmäßig angerechnet werden: 1:1, 1:1,5 oder 1:2, das heißt im schlechtesten Fall wird zum Beispiel für eine 90-minütige AG nur eine Deputatsstunde angerechnet.

GEW-Tipp: Gerade wenn die Anrechnungsstunden knapp sind, ist es wichtig, darauf zu achten, wofür diese aufgewendet werden. Hier besteht seit zehn Jahren eine Verpflichtung zur Transparenz. (Diese bezieht sich allerdings nicht auf den Bereich der Anrechnungen für Schulleitungsaufgaben.) In der Verwaltungsvorschrift (VwV) Anrechnungen und Freistellungen für Lehrkräfte ist 2014 im Bereich IV „Anrechnungen“ (Nr.1.5) ein kleiner, aber feiner Satz eingefügt worden: „Der Schulleiter informiert die Gesamtlehrerkonferenz über die Verteilung der Anrechnungen.“ Neben diesem Informationsrecht sollte die Gesamlehrer*innenkonferenz (GLK) auch von ihrem Recht Gebrauch machen, „allgemeine Empfehlungen für die Verteilung der Lehraufträge und sonstiger dienstlicher Aufgaben“ (und damit auch der Anrechnungen!) abzugeben. (Konferenzordnung §2 Abs.1 Nr.9)

3. Zusatzaufgaben kritisch hinterfragen

Die große Studie zur Arbeitszeit und Arbeitsbelastung in Sachsen 2022 hat gezeigt, dass es vor allem die „neuen und zusätzlichen Aufgaben“ sind, die bei Lehrkräften mit überlangen Arbeitszeiten besonders ins Gewicht fallen und zu Auffälligkeiten im Bereich des Burnout-Indikators CBI (Copenhagen Burnout Inventory) führen. Lehrkräfte haben eine Fülle administrativer und organisatorischer Zusatzaufgaben zu leisten, bestimmte Aufgabenfelder (besonders die Digitalisierung der Schulen, aber auch der Bereich der Öffentlichkeitsarbeit) lösen höhere Zeitbedarfe aus. Es ist ein deutliches Warnsignal, dass die meisten Lehrkräfte diesem erhöhten Zeitbedarf durch Kürzungen bei der Vor- und Nachbereitung ihres Unterrichts sowie durch „Veränderungen der pädagogischen Qualität des Unterrichts“ entgegenwirkten.

Die entscheidende Frage ist also, wie wir als Lehrkräfte so entlastet werden können, dass wir uns auf unsere Kernaufgabe des Unterrichts konzentrieren können. Dafür könnte es sich lohnen, an der Schule vor Ort alle über den Unterricht hinausgehenden Tätigkeiten einer grundsätzlichen Aufgabenkritik zu unterziehen: Welche Zusatzaufgaben sind wirklich unabdingbar/vorgeschrieben, welche können (unter Umständen auch nur zunächst versuchsweise) ausgesetzt oder zeitlich gestreckt werden? Dabei muss ein besonderes Augenmerk auf der klaren Unterscheidung von teilbaren und unteilbaren Dienstaufgaben liegen. Denn Teilzeitlehrkräfte werden oft überproportional durch die Übernahme (eigentlich teilbarer) Dienstgeschäfte belastet (zum Beispiel bei Vertretungsstunden, Aufsichten, Klassenleitungen, AuV und so weiter).

GEW-Tipp: Eine solche überproportionale Belastung von Teilzeitkräften sollte nicht sein. Im noch immer gültigen Chancengleichheitsplan für die Gymnasien in Baden-Württemberg aus dem Jahre 2014 heißt es: „Es gehört zu den ständigen Aufgaben der Schulleitung, sicherzustellen, dass sich die Rahmenbedingungen für Teilzeitbeschäftigte nicht nachteilig für diese auswirken. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die zeitliche Lage unteilbarer und die Wahrnehmung teilbarer Dienstaufgaben im Allgemeinen als auch für die Anordnung von Mehrarbeit und Vertretungen im Besonderen.“

4. Auf der Suche nach Ruhezeiten und Ruheräumen

Es gibt ermutigende Beispiele: In manchen Gymnasien haben sich die Lehrkräfte auf die Suche nach kleinen Elementen der Ruhe im turbulenten Unterrichtsalltag gemacht und sind fündig geworden; zum Beispiel, indem sie beschlossen haben, dass die erste große Pause jeweils allein den Lehrkräften vorbehalten ist und dass sie selbst für Anfragen von Seiten der Schüler*innen nur in der zweiten großen Pause zur Verfügung stehen. An anderen Schulen haben sich Lehrkräfte einen eigenen Ruheraum eingerichtet als echtes Refugium für Hohlstunden.

Ein besonderes Problem stellt in diesem Zusammenhang die gefühlte dauerhafte Erreichbarkeit im schulinternen digitalen Informationsfluss dar.

GEW-Tipp: In der Rahmendienstvereinbarung zum Einsatz einer landeseinheitlichen digitalen Bildungsplattform, die auch für alle sonstigen digitalen Verfahren an der Schule gilt, sofern Lehrkräfte betroffen sind, wurden klare Ruhezeiten definiert, indem die Verpflichtung zum Abruf dienstlicher E-Mails an die Anwesenheit(szeit) an der Dienststelle gebunden wird.

In §10 Abs.6 heißt es: „Die Beschäftigten der Dienststelle sind nicht verpflichtet, auf ihren dienstlichen Account eingehende E-Mails außerhalb ihrer üblichen Anwesenheitszeit an der Schule und außerhalb der Dienststelle abzurufen.“

Mit dieser Regelung entfällt die Notwendigkeit, vom heimischen Rechner aus den (potentiellen) Eingang neuer dienstlicher Nachrichten zu überprüfen. (Freiwillig darf das natürlich jede*r Kolleg*in tun.) Auf dieser Weise wird auch der besonderen Situation von Teilzeitlehrkräften, die unter Umständen nur an wenigen Wochentagen an der Schule vor Ort sind, angemessen Rechnung getragen.

5. Maßnahmen zur Gesundheitsprävention und zum Arbeitsschutz durchführen

Für Lehrkräfte in Baden-Württemberg gibt es eine Fülle von Angeboten zur Gesundheitsförderung, die im Verantwortungsbereich des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) liegen. Ein Überblick findet sich auf der Internetseite des ZSL.

Hervorzuheben sind hier im Besonderen die Pädagogischen Fallbesprechungsgruppen, die Maßnahme 10Plus (in Anlehnung an das Konstanzer Trainingsmodell; bei Teilnahme gibt es eine Anrechnungsstunde) sowie die Lehrercoachinggruppen nach dem Freiburger Modell.

An der Schule vor Ort können weitere bedarfsorientierte Präventionsangebote organisiert werden: sogenannte Gesundheitstage, aber auch Workshops und Vorträge für das Kollegium. Die Teilnahme an solchen Angeboten unterstützt die individuelle Gesunderhaltung sowie das solidarische Miteinander innerhalb des Kollegiums.

GEW-Tipp: In der Rahmendienstvereinbarung zum betrieblichen Gesundheitsmanagement von 2017 wurde festgelegt, dass auch an jedem Gymnasium vor Ort ein Arbeitsschutzausschuss (ASA) gebildet werden muss, der zweimal jährlich tagt. Auch der Örtliche Personalrat (ÖPR) ist mit zwei Mitgliedern in diesem Gremium vertreten. Zu den Sitzungen können auch Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit eingeladen werden. Gib Informationen über besondere Belastungs- oder sogar konkrete Gefährdungsfaktoren bei dir an der Schule vor Ort an dieses Gremium weiter und dränge auf Abhilfe!

Kontakt
Markus Riese
Vorsitzender Fachgruppe Gymnasien