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Queere Minderheit an Schulen

Geschlechtsidentität ist Teil der Demokratiebildung

GEW und die Landeszentrale für politische Bildung kooperieren bei der Umsetzung der Aktionsplan für Akzeptanz und gleiche Rechte für LSBTTIQ* in Schulen. Eine Tagung Anfang Dezember zeigte, es gibt noch einiges zu tun.

Kooperationsseminar des GEW-Arbeitskreises Lesbenpolitik und der Landeszentrale für politische Bildung
Kooperationsseminar des GEW-Arbeitskreises Lesbenpolitik und der Landeszentrale für politische Bildung (Foto: Annemarie Renftle)

Der Arbeitskreis (AK) Lesbenpolitik in der GEW ist ein Gremium, das vorangeht. Seit der Feier zum 30-jährigen Jubiläum des AK im letzten Jahr hat sich einiges getan, was die Umsetzung der Leitperspektive „Akzeptanz und Toleranz von Vielfalt“ in der Fortbildung von Lehrkräften angeht. Auch im GEW-Bildungsprogramm werden die politischen Forderungen nach Akzeptanz und Sichtbarkeit deutlich.

So hat Anfang Dezember 2023 in Stuttgart ein Seminar des AK Lesbenpolitik erstmalig in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung (LpB) stattgefunden. Mehr als 20 Kolleg*innen waren da, um sich mit den Themen „Queer“, „sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität“ als Teil der Demokratiebildung auseinanderzusetzen. Der Erfahrungsaustausch unter den Lehrkräften aller Schularten machte deutlich, dass auf dem Weg zu einer diskriminierungskritischen Schule noch einiges an Arbeit zu tun ist. So wünschten sich die Teilnehmenden mehrheitlich Anregungen für eine möglichst diskriminierungsfreie Unterrichtspraxis sowie Unterstützung und Ideen für den Umgang mit queerfeindlichen Äußerungen im Schulalltag. Diesem Anliegen wurde im Seminar Rechnung getragen.

Informationen über „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ sind unter anderem hier zu finden:

Inzwischen gibt es in Baden-Württemberg eine Fülle an Informationsquellen zu Akzeptanz und gleiche Rechte von LSBTTIQ* (lesbisch, schwul, transsexuell, transgender, intersexuell und queer identifizierenden Menschen):

Das Sozialministerium hat inzwischen eine Neuauflage des Lexikons der kleinen Unterschiede veröffentlicht. Dabei handelt es sich um ein Glossar von Begriffen rund um die Themen von sexueller und geschlechtlicher Identität, die kostenfrei über die Internetseite des Ministeriums bezogen werden kann.

Ein Beitrag zur Sichtbarkeit lesbischer Lehrerinnen bietet auch der kurze Film in der ZDF-Sendung „Volle Kanne“ vom 10. Juli 2023, noch sichtbar in der Mediathek ab Minute 42:39. Berichtet wird über den Besuch einer 11. Klasse an einem Beruflichen Gymnasium in Böblingen.

Ein Blick zurück in 31 Jahre Aktivität des Arbeitskreises Lesbenpolitik zeigte darüber hinaus, wie zäh in Baden-Württemberg der Kampf um Sichtbarkeit der sexuellen Orientierung gewesen ist. Erinnert wurde an die Einführung der fächerübergreifenden Leitperspektiven in den Bildungsplänen 2016, zu denen neben Bildung für nachhaltigen Entwicklung, Prävention und Gesundheitsförderung, Berufliche Orientierung, Medienbildung, Verbraucher*innenbildung auch die Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt gehört. Sie sind zwar seit acht Jahren gültig, jedoch ließen für Letztere systematische Fortbildungsangebote für Lehrkräfte auf sich warten.

Auch laut der Evaluation des Aktionsplans durch das Sozialministerium 2022 lässt die Umsetzung des Aktionsplans im Kultusbereich noch zu wünschen übrig.: Geschätzt 50 Prozent der LSBTTIQ*-Lehrkräfte haben sich nicht geoutet, Referendar*innen sind verunsichert darüber, ob sie sich während der Ausbildung outen können, Homo- und Transphobie an den Schulen sind noch zu weit verbreitet und Lehrkräften, Schulleitungen und Schulsozialarbeiter*innen fehlt das nötige Wissen, um sich klar zu positionieren.

Im Leitfaden Demokratiebildung der Landeszentrale für politische Bildung steht: „Wenn Standpunkte geäußert werden, die mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung unvereinbar sind, dürfen Lehrkräfte dies nicht unkommentiert stehen lassen und müssen klar Position beziehen. Hierzu braucht es eine Grundrechteklarheit und Konfliktfähigkeit aufseiten der Lehrkräfte und der Schulleitungen. Das Spektrum der Kontroversität muss entsprechend klar definiert und von menschenabwertenden und demokratiefeindlichen Positionen abgegrenzt werden.“

Entsprechend hat Felix Steinbrenner, Fachreferent und Leiter der Stabsstelle „Demokratie stärken“ der LpB, wichtige Informationen und Impulse für die politische Bildung in Schulen, aber auch für die Entwicklung einer diskriminierungskritischen Schulkultur in das Seminar eingebracht. Lehrkräfte seien aufgerufen, sich über gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wie Rassismus, Antisemitismus oder Queerfeindlichkeit zu informieren, die Themen entsprechend der Handreichung „Demokratiebildung“ und den jeweiligen Lehrplänen im Unterricht zu behandeln. Eine klare diskriminierungskritische Haltung sei dabei immer wieder zu reflektieren. Um entsprechend pädagogisch und professionell zu handeln, so Steinbrenner, müsse an Schulen Queerfeindlichkeit erkannt werden, es müsse die Betroffenenperspektive wahrgenommen und anerkannt werden. Dabei müsse Queerfeindlichkeit kritisiert werden, ohne Personen abzustempeln und es müsse ermöglicht werden, sich davon zu distanzieren.

Auch wenn nach wie vor viel zu tun ist, sind sich die Fachleute in der GEW und der LpB einig: Die Umsetzung der Leitperspektive Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt sowie des Aktionsplans im Kultusbereich gehen voran.

Mit einem erstmals angebotenen Fachtag im November 2023 haben auch das Kultusministerium (KM) und das Zentrum für Lehrerbildung und Schulqualität (ZSL) Wort gehalten: Fortbildungsangebote wurden realisiert, die im Sommer 2023 beim ersten Runden Tisch LSBTTIQ* des KM in Aussicht wurden. Auch strukturelle Veränderungen werden nun angegangen. Inzwischen gibt es an jeder Regionalstelle des ZSL ein Team mit Zuständigkeit für Fortbildungen, queere Anliegen von Beschäftigten und in pädagogischen Fragen. Auch hier leisten Kolleg*innen des AK Lesbenpolitik und des AK Schwulenpolitik wichtige Beiträge. Ein Beispiel ist ein Angebot der ZSL-Regionalstelle Stuttgart. Dort gibt es jeden zweiten Donnerstag von 15:30 bis 16:30 Uhr eine Online-Sprechstunde zu LSBTTIQ*, für die man sich per E-Mail an ruth.schwabe(at)zsl-rss(dot)de anmelden kann.

Beim nächsten Runden Tisch LSBTTIQ* des KM am 13. März 2024 können der AK Lesbenpolitik und die LpB die Ergebnisse ihrer Zusammenarbeit einbringen. So sind die Aktiven des AK erneut Taktgeber*innen für eine Schule, in der sich alle Menschen unabhängig von geschlechtlicher Identität und sexueller Orientierung sicher und wohl fühlen.

Kontakt
Manuela Reichle
Referentin für Hochschule und Forschung; für Frauen-, Geschlechter- und Gleichstellungspolitik; gewerkschaftliche Bildung
Telefon:  0711 21030-24