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70-Stunden-Kontingent – Handschlaglehrkräfte – Zeitkontingent

Wer was unter welchen Bedingungen an welcher Schulart tun darf

Unter anderem mit dem Instrument „Zeitkontingent“ versucht das Kultusministerium kurzzeitige Unterrichtsausfälle zu vermeiden. GEW-Expertin Inge Goerlich erläutert die Rahmenbedingungen für eine nebenberufliche Tätigkeit als Vertretungskraft.

Das Zeitkontingent, besser bekannt unter den Namen „Handschlaglehrkräfte“ oder „70-Stunden-Kontingent“, ist eines von mehreren Instrumenten, mit denen das Kultusministerium (KM) versucht, kurzzeitige Unterrichtsausfälle zu vermeiden.

Verlässliche Grundschulen, Schulen der Sekundarstufe I sowie die Primar- und Sekundarstufe I beziehungsweise Hauptstufe an SBBZ erhalten ein Zeitkontingent im Umfang von 70 Unterrichtsstunden pro Kalenderjahr. Dieses Zeitkontingent kann auf der Grundlage einer nebenberuflichen Tätigkeit an eine Vertretungskraft vergeben werden. Es wird kein Vertrag geschlossen. Es genügt, wenn sich die Schulleitung und die Vertretungskraft insbesondere über den zeitlichen Rahmen, den Ort, die Klasse und die Höhe der Vergütung mündlich einig sind. Die Lehrkraft steht dann mehr oder weniger auf Abruf bereit, in Notfällen einzuspringen. Bezahlt werden dann nur die tatsächlich gehaltenen Unterrichtsstunden.

Nur beamtete beurlaubte Lehrkräfte (auch Beurlaubung wegen Elternzeit) oder ehemals beamtete Lehrkräfte im Ruhestand dürfen als Lückenbüßer eingesetzt werden.

Die Vergütung wird pauschaliert abgerechnet und beträgt 

  • 29 Euro pro Unterrichtsstunde für Vertretungskräfte mit der Laufbahnbefähigung für das Lehramt Grundschule (oder einer entsprechenden Laufbahnbefähigung) im Rahmen der verlässlichen Grundschule,
  • 33 Euro pro Unterrichtsstunde für Vertretungskräfte mit der Laufbahnbefähigung für das Lehramt Sekundarstufe I (oder einer jeweils entsprechenden Laufbahnbefähigung) im Rahmen der Sekundarstufe I oder für das Lehramt Sonderpädagogik für die Primar- und Sekundarstufe I beziehungsweise Hauptstufe an SBBZ und
  • 26 Euro pro Unterrichtsstunde für Vertretungslehrkräfte mit der Laufbahnbefähigung für Fachlehrkräfte und Technische Lehrkräfte im Rahmen der verlässlichen Grundschule oder im Rahmen der Sekundarstufe I.

Werden ausnahmsweise Lehrkräfte mit der Laufbahnbefähigung für die Sekundarstufe I oder Lehrkräfte mit der Laufbahnbefähigung für das Lehramt Gymnasium an Grundschulen eingesetzt werden, erhalten sie den Vergütungssatz für das Lehramt Grundschule (29 Euro).

Lehrkräfte mit der Befähigung für das Lehramt Gymnasium, die in der Sekundarstufe I eingesetzt werden erhalten den Vergütungssatz für das Lehramt Sekundarstufe I (33 Euro).

Sollten ausnahmsweise GS-Lehrkräfte an der Sekundarstufe I eingesetzt werden, erhalten sie dennoch nur den Vergütungssatz für das Lehramt Grundschule (29 Euro).

Der auszuzahlende Betrag darf den steuerfreien Freibetrag von 3.000 Euro im Kalenderjahr („Übungsleiterpauschale“) nicht überschreiten und wird steuer- und sozialversicherungsfrei ausbezahlt.

Vertretungskräfte dürfen nicht mehr als acht Unterrichtsstunden pro Woche eingesetzt werden.

Pro Kalenderjahr sind maximal

  • 103 Unterrichtsstunden an Grundschulen,
  • 90 Unterrichtsstunden in der Sekundarstufe I und
  • 115 Unterrichtsstunden für Fachlehrkräfte und Technische Lehrkräfte

möglich.

Bei Überschreitung dieses Freibetrags verliert die „Übungsleiterpauschale“ den Charakter einer steuerfreien Einnahme und wird steuerpflichtig. Der Freibetrag darf auch deshalb in keinem Fall überschritten werden, da andernfalls ein faktisches unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet wird.

Das ist auch der Grund, weshalb Arbeitnehmer*innen und Rentner*innen im Rahmen dieses Zeitkontingents grundsätzlich hierfür nicht eingesetzt werden. Arbeitnehmer*innen können nicht „per Handschlag“ beschäftigt werden, sie haben ab der ersten Stunde den Rechtsanspruch auf einen schriftlichen Arbeitsvertrag nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) mit allen Konsequenzen wie beispielsweise die tarifliche Eingruppierung, den Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Im GEW-Jahrbuch 2024 finden sich in den Beiträgen „Vertretungslehrkräfte“ und „Grundschule (Verlässliche)“ ausführliche Infos.

Dazu Barbara Haas, Leiterin des GEW-Vorstandsbereichs Senior*innen: „Ist es nicht unsolidarisch, wenn ich mich den Kolleg*innen verweigere und sie dann zwei Klassen zu versorgen haben, oder ist es notwendig, damit die Regierung endlich merkt, dass es so nicht weitergehen kann? Wie gehen wir mit diesem Zwiespalt um?“

Damit hat Barbara Haas den Zwiespalt für Gewerkschafter*innen gut beschrieben. Ich persönlich vertrete die Ansicht, es ist immerhin lobenswert, dass ausschließlich qualifizierte, berufserfahrene Lehrkräfte, die gelernt haben mit schwierigen Unterrichtssituationen konstruktiv umzugehen, hierfür eingesetzt und die Kinder nicht nur in der Schule aufbewahrt werden. Der Ausschluss der Rentner*innen – weil dies das Land mehr kosten würde – ist wieder einmal eine deutliche Schlechterstellung unserer Lehrkräfte im Arbeitnehmerverhältnis. Als ob sich das reiche Land Baden-Württemberg das nicht leisten könnte.

Kontakt
Marco Stritzinger
Online-Redakteur
Telefon:  0711 21030-35